Daseinsvorsorge 4.0 –
Die Zukunft der Kommunalwirtschaft

DIE ZUKUNFT DER KOMMUNALWIRTSCHAFT: DASEINSVORSORGE 4.0

Podiumsdiskussion zum 125-jährigen Jubiläum von Göken, Pollak & Partner (GPP) in Bremen

Geschäftsführer Vi-Strategie GmbH moderiert (siehe AKTUELLES vom 31. Juli) – 200 Zuhörer

Die Daseinsvorsorge steht vor einem Wandel. In Zeiten des Umbruchs und stark beschleunigter wirtschaftlicher Entwicklung ist das „Stadtwerk der Zukunft“ gesucht. Wie könnte dies aussehen? Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 125-jährigen Betriebsjubiläum von GPP wurde genau diese Frage aufgegriffen und innerhalb einer zweistündigen Podiumsdiskussion, an der 200 Zuhörer teilnahmen, erörtert. Unter der Moderation von Rainer Otto, Geschäftsführer der Vi-Strategie GmbH, stand neben der aktuellen Entwicklung der Daseinsvorsorge besonders der Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung im Vordergrund.

Eine Frage tauchte im Laufe der Diskussion immer wieder auf: Wo ist der Platz der Kommunalwirtschaft in der Zukunft und wie können dort Einkünfte erzielt werden? Zwar sorge der etablierte Verkauf von Versorgungsleistungen wie Wasser oder Gas weiterhin für einen Großteil der Erlöse der Versorger, dies wird jedoch aufgrund des wachsenden Wettbewerbs- und Effizienzdrucks immer schwerer und weniger rentabel, so Michael Bosse-Arbogast, Sprecher und Kaufmännischer Vorstand der Stadtwerke Hildesheim AG.

Mit einer Erweiterung des Portfolios, beispielsweise um Dienstleistungen für Photovoltaik-Anlagen, Ladestationen für Elektroautos oder Telekommunikationsdienste, verschmelzen daher auch die Tätigkeitsbereiche der Versorgungsunternehmen. Die Akteure der Branche sind sehr vielfältig geworden und kommen aus verschiedensten Bereichen. Um dieser Konkurrenz Stand zu halten, ist eine verstärkte Innovationsmentalität nötig. Diese fehlt laut Petra Reiber (Bürgermeisterin a. D. der Gemeinde Sylt) häufig noch. Es gilt, auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein für innovative Ansätze wie Smart-City- oder Nachhaltigkeitskonzepte zu entwickeln. Nur so kann die Digitalisierung erfolgreich vorangetrieben werden und eine moderne Daseinsvorsorge entstehen.

Durch Partnerschaften mit privaten Akteuren kann diese Innovationskultur gefördert werden – die kommunale Familie dürfe nicht ″hinten runter fallen″, so Bernd Reichelt. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Menden GmbH sieht die öffentlichen Versorger zukünftig vielmehr als übergeordnete Plattform für die zahlreichen Akteure in der Entwicklung zur Smart-City. Das vorhandene Know-how der Kommunen, vor allem bei spartenübergreifenden Tätigkeiten, sei in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen.

Kundenkontakt im Vordergrund | Auch die Kommunikation mit dem Endverbraucher spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Trotz der Online-Verfügbarkeit vieler Leistungen bietet die Digitalisierung nicht die Lösung für alle Anforderungen. Die Nachfrage nach einem persönlichen Kontakt zum Versorgungsunternehmen hat in den vergangenen Jahren sogar zugenommen, berichtet Michael Bosse-Arbogast. Eine zweigleisige Kommunikation – analog und digital – ist zwar vorübergehend mit höheren Ausgaben verbunden, bietet jedoch gleichzeitig eine verbesserte Möglichkeit, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen und alle Kunden in dieser Entwicklung ″mitzunehmen″.

Das forderte auch Metin Pencereci, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und Partner bei GPP, der für mehr Engagement und Initiative der kommunalen Unternehmen bei Infrastrukturaufgaben wie dem Breitbandausbau warb. Die Diskussion über die Rolle der treibenden Kraft bei Innovationen sorgte im Anschluss für verschiedene Standpunkte. Einerseits müsse die (finanzielle) Rückendeckung seitens der Gemeinde vorhanden sein, auf der anderen Seite sei es an den öffentlichen Versorgern, innovative Ansätze ins Spiel zu bringen und deren Umsetzung voranzutreiben.

Als Gedankenanstoß aus der Praxis präsentierte Detlev Koch, Geschäftsführer der Stadtwerke Haldensleben GmbH, die Digitalisierungs-Roadmap des Versorgungsunternehmens nahe Magdeburg. Die Implementierung von digitalen Services wurde hier in vielen Bereichen geplant bzw. bereits durchgeführt. Dies gelte nicht nur für interne Prozesse, ebenso unterstützen öffentlichkeitswirksame Aktionen den Bewusstseinswandel in der Bevölkerung, so Koch.

Sicherheit und Datenschutz | Zur Frage nach der Beherrschbarkeit der technologischen Entwicklung verwies Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, in erster Linie auf die rechtlichen Grundlagen. Besonders die Daten des einzelnen Bürgers seien mit sehr hohen Standards verbunden, um Sicherheit zu gewährleisten. Ein solch hohes Schutzgut setze, auch bei Regulierungsfragen, die gleichen Anforderungen für alle Akteure voraus.

Zum Ende der Diskussion waren sich die Teilnehmer zumindest in einem Punkt einig: Sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene ist Transparenz und eine erfolgreiche Kommunikation von zentraler Bedeutung. Digitalisierung sei ein Teil-Prozess, stellte Bernd Reichelt fest – sowohl bei Wissen, als auch bei Handlungen und Entscheidungen. Entsprechend sind hierarchie- und machtarme Strukturen notwendig, damit die Unternehmenskultur mit der Technologie Schritt halten kann.

Mit einer weiteren Podiumsdiskussion zum selben Thema am 19. Oktober 2017 sollen am GPP-Standort Leipzig diese Standpunkte und Ergebnisse aufgegriffen und in einer Fortsetzung weiter diskutiert werden.

(Den Artikel im Weser-Kurier finden Sie HIER.)

 


Teilnehmer der überaus interessanten Diskussion zur Zukunft der Kommunalwirtschaft unter digitalen Aspekten waren (von links nach rechts) Peter Franke (Vizepräsident Bundesnetzagentur), Rainer Otto (Geschäftsführer Vi-Strategie GmbH) Detlef Koch (Geschäftsführer Stadtwerke Haldensleben GmbH) Petra Reiber (Bürgermeisterin a. D. Gemeinde Sylt), Michael Bosse-Arbogast (Sprecher und Kaufmännischer Vorstand Stadtwerke Hildesheim AG), Metin Pencereci (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und Partner bei GPP) und Bernd Reichelt ( Geschäftsführer Stadtwerke Menden GmbH).