“Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.”

16. Mitteldeutsches Energiegespräch am 20. November 2018 in Leipzig

Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.”

Interview mit Dr. Johannes Kleinsorg, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig GmbH, aus Anlass des 16. MDEG zu neuen Geschäftsmodellen in der Integrierten Energiewende

Gern gesehener Gast im Mitteldeutschen Energiegespräch: Dr. Johannes Kleinsorg – Hier im 6. MDEG während eines Diskussionsbeitrages aus dem Auditorium. Foto: Lutz Zimmermann, unter: www.lz-fotografie.de.

Sie gehören beide zu den sogenannten 8KU, einer Kooperation von 8 kommunalen Energieunternehmen, die mit Umsatzgrößen zwischen zwei und sechs Milliarden Euro nach eigener Aussage den Mittelstand der deutschen Energiewirtschaft bilden. Gemeint sind die Stadtwerke Leipzig GmbH und die Mannheimer MVV Energie AG.

Grund genug für das 16. Mitteldeutsche Energiegespräch, beide Unternehmen zur Herbst-Tagung am 20. November nach Leipzig einzuladen, um aus erster Hand über beiderseitigen Erfahrungen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu hören und darüber zu diskutieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Über die Diskussion berichtete AKTUELLES vom 20. November 2018. Die Interviews mit Dr. Holger Krawinkel (MVV Energie AG) sowie Ralf Kurtz (Einführungsvortrag PwC) erschienen in AKTUELLES vom 19. und 28. November 2018.

Nachfolgend wird nunmehr das Interview mit Dr. Johannes Kleinsorg, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig GmbH, veröffentlicht.

AKTUELLES dankt an dieser Stelle den Interviewten für die Gelegenheit des Gesprächs.

Sehen Sie bitte auch die entsprechenden Interviews im Film zum 16. MDEG.

Übrigens, mehr zu den 8KU finden Sie bitte auf www.8ku.de .


Der Einführungsvortrag über die “Geschäftsmodelle der Integrierten Energiewende – smart und innovativ” im 16. Mitteldeutschen Energiegespräch macht deutlich, wie regulierte Innovation des intelligenten Messwesens zu steigendem Wettbewerb und zur Ablösung des bestehenden Geschäftsmodells der Energielieferanten führen kann. Inwieweit sind die Leipziger Stadtwerke hierauf vorbereitet?

Insbesondere für die Wohnungswirtschaft ist der Umbau des Messwesens eine große Herausforderung. Doch das sogenannte Smart Metering bietet auch eine ganze Reihe von Vorteilen. Es beschleunigt und vereinfacht die gesamten Mess- und Abrechnungsprozesse wesentlich. Die digitale Erfassung und Übermittlung des Stromverbrauchs liefert Vermietern und Immobilienverwaltern eine diskussionsfreie Grundlage zur Abrechnung der Verbrauchsdaten.

Die Leipziger Stadtwerke bieten den Immobilienunternehmen schon jetzt eine effiziente und vollautomatisierte Lösung zur Prozessoptimierung an: die integrierte Abrechnung für Heiz- und Betriebskosten. Die Kunden sparen dadurch Zeit und Kosten – und das Jahr für Jahr.

Im Zuge der sogenannten Spartenbündelung wird sich die Digitalisierung des Messwesens neben Strom auf weitere Medien wie zum Beispiel Gas oder Wärme auswirken. Dadurch wird das Mess- und Abrechnungsprozedere weiter vereinfacht. Wir wollen noch weiter gehen und unseren Kunden Messdienstleistung und Energielieferung im Paket anbieten. So reduzieren sich die Austausch-Prozesse zwischen Messdienst, Lieferant und Kunde auf ein Minimum. Auch dafür stellen sich die Leipziger Stadtwerke schon jetzt auf, schließlich gehört das Messwesen neben der Energielieferung seit jeher zu unseren Kernkompetenzen.

Wie können Sie auf Ihre Kunden reagieren, inwieweit steuern Sie derzeit schon über Kundenanalysen die Einführung von neuen Geschäftsmodellen?

Unsere Kunden wollen sich weiter auf uns verlassen können und sie wollen Zukunftsorientierung. Die Wohnungen sollen warm bleiben, Strom und Gas zuverlässig zur Verfügung stehen. Großkunden wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Leipzig und andere Kommunen wollen eine gute Infrastruktur und aktives Begleiten von Umwelt- und Klimaschutz.

Jeder Kunde hat andere Bedürfnisse und diese gilt es zu erfüllen. So bieten wir unseren Großkunden einen 360°-Lösungsansatz: von der Energieberatung, Energieeffizienzkonzepten über die klassische Energielieferung bis hin zu verschiedenen Möglichkeiten dezentraler Energieerzeugung sowie ganzheitliche Angebote zur Elektromobilität. Aber auch die Anforderungen unserer Privatkunden haben wir intensiv analysiert, sodass mit unserem neuen Portfolio für jeden der passende Tarif zur Verfügung steht. Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.

Die digitale Welt verändert den Charakter von Geschäftsprozessen und damit von Geschäftsmodellen, bringt neue hervor und drängt manche zurück. Was raten Sie kleineren Energieversorgern, die weder Kraft noch Möglichkeiten besitzen, sich derart umfangreich auf Künftiges einzustellen?

Wie erwähnt ist die Voraussetzung für das Bestehen am Markt, seine Kunden zu kennen und sein Geschäft entsprechend auszurichten. Marktbefragungen liefern die wesentlichen Erkenntnisse. Chancen haben diejenigen Unternehmen, die Kunden und Märkten intelligente und klare Lösungen für ihre komplexen Fragestellungen bietet. Und zwar schnell, umfassend und digital.

Allerdings macht den Erfolg eines Unternehmens nicht nur aus, für die richtigen Kundengruppen das richtige Angebot zu machen. Vielmehr ist es in einer sich rasant ändernden Welt wichtig, frühzeitig Trends und sich ändernde Kundenbedürfnisse erfassen können, um auf dieser Basis innovative Lösungen zu erarbeiten. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen zukünftig schnell neue und verschiedenartige Kompetenzen verfügbar gemacht werden. Dies bedeutet, dass Kooperationen und z.B. die Nutzung von White-Label-Lösungen weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Wir sprachen eingangs davon, dass regulatorische Rahmenbedingungen disruptive Faktoren nach sich ziehen können oder sogar begünstigen. Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach der Kundenwandel (Stichworte digital native, weniger Bindung an Marke und Produkt) auf neue Geschäftsmodelle?

Die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die den Anforderungen von Morgen gerecht werden, ist von enormer Bedeutung. Heute werden mit neuen Geschäftsmodellen die Weichen dafür gestellt. Die Herausforderung besteht darin, das Kerngeschäft mit diesen Aktivitäten so zu ergänzen, dass der „Startvorteil“ der bestehenden Kundenbeziehung bestmöglich genutzt wird. Dabei wird in der dezentralen Energiewelt Regionalität weiterhin eine große Rolle spielen. Insofern werden hier auch regionale Marken noch eine Bedeutung haben. Gerade Stadtwerke können als regionale Integratoren den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sicherstellen und Kunden in der neuen Energiewelt vor Ort Orientierung geben.

Intern erfordern die Digitalisierung und der Energiemarkt der Zukunft eine ganzheitliche Herangehensweise: Wesentlich ist also, die richtige Strategie, Organisation und Unternehmenskultur gemeinsam zu entwickeln. Prioritäten müssen neu gesetzt werden – auf zukünftig profitable Bereiche, Produkte und Aktivitäten. Dabei sollten die strategische Ausrichtung und organisatorische Aufstellung aus der Perspektive der Kunden und Märkte entwickelt werden. Zum entscheidenden Erfolgsfaktor in einer zunehmend digitalen Welt mit erhöhter Veränderungsgeschwindigkeit wird die Unternehmenskultur. Hier kommt es auf ein enges Zusammenwirken zwischen den Bereichen und Mitarbeitern, neue Führungskompetenzen sowie das Organisieren von stabiler und agiler Arbeitswelt nebeneinander an.


Abschließend bitte noch einen Blick in die Glaskugel. Wir haben in diesem Jahr 20 Jahre liberalisierte Energiemärkte, das Mitteldeutsche Energiegespräch hat sein sechsjähriges begangen. Wie schätzen Sie unter dem Aspekt der eingangs erörterten neuen Geschäftsmodelle, aber auch der derzeitigen Zaghaftigkeit der Politik die Umsetzung der Integrierten Energiewende in den nächsten fünf Jahren ein?

Die Energiewende, neue technologische Möglichkeiten und die fortschreitende Digitalisierung stellen die Energieversorgung auf den Kopf. Wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen – breit akzeptiert und mitgetragen von Wirtschaft und Verbrauchern – wird es darauf ankommen, konsequent dezentral, technologieoffen und wettbewerblich zu denken.

Belastbare politische Rahmenbedingungen sind Grundvoraussetzung für eine klimagerechte und wirtschaftliche Gestaltung der Energiewende.

Dies bedeutet, dass schnelle und klare Entscheidungen zum Beispiel zum Kohleausstieg, zur Entwicklung des Systems von Abgaben und Umlagen sowie zur weiteren Bedeutung von Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie benötigen.

Ohne diese Rahmenbedingungen ist es für uns fast unmöglich für Energiewende erforderliche Investitionsentscheidungen zu treffen.

Wir als Stadtwerke wollen gerne Treiber der Energiewende sein, die Politik aber muss den Rahmen setzen.

Welche Rolle spielen die Stadtwerke in Zukunft?

Stadtwerke können die Energiewende dezentral voranbringen. Sie beherrschen die gesamten energiewirtschaftlichen Funktionen: die Erzeugung von Energie, die Verteilung über ihre Netze, den Handel als Ausgleich von Produktion und Bedarf und den Vertrieb als ganzheitlichen Lösungsanbieter. Diese Systemkompetenz gewinnt gerade vor Ort an Bedeutung.

Als Energiewende-Manager können Stadtwerke Ihren Kunden so Orientierung geben, die zunehmende Komplexität der Energieversorgung für sie managen und zudem mit regionalem Service stets nah bei ihnen sein. Genau das ist die Strategie der Leipziger Stadtwerke und wir sind überzeugt davon, dass wir damit auch in Zukunft eine herausragende Rolle in der Energieversorgung für Leipzig und Umgebung spielen werden.

Vita

Dr. Johannes Kleinsorg, geboren 06.05.1962 in Göttingen, ist studierter Volkswirt und seit 1998 in der Energiewirtschaft tätig. Beim Regionalversorger Fränkisches Überlandwerk AG verantwortete er den Stromvertrieb und war Gründungsgeschäftsführer einer Energiehandelsgesellschaft. Als Prokurist und Leiter des Geschäftsbereiches Marktmanagement der NERGIE AG war er für Vertriebsaktivitäten und Markenführung zuständig und zugleich Geschäftsführer der Frankengas GmbH. 2005 übernahm er die Geschäftsführung der 24sieben GmbH. Im Rahmen von Umstrukturierungen in der MVV‐Gruppe, zu der die Stadtwerke Kiel AG gehört, leitete er die 24/7 Trading GmbH, heute MVV Trading. Außerdem verantwortete er als Bereichsleiter der Stadtwerke Kiel AG die Geschäftsfelder Vertrieb und Handel, einschließlich Erzeugungsportfoliomanagement und Energiedienstleistungen.

Seit 01.09.2014 ist er Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Stadtwerke.