Heimat ist Wurzel unseres Denkens und Handelns

Oberbürgermeister Knut Kreuch, Foto: Lutz Ebhardt

Interview mit dem Gothaer Oberbürgermeister Knut Kreuch nach Auftritt im “Kultur: Haus Dacheröden” in Erfurt

Heimat ist Wurzel unseres Denkens und Handelns (6*)

OB buchstabiert Gotha mit “G=Gemeinsamkeit; O=Offenheit; T=Tradition; H=Heimat und A=Arbeit”/
Aussagen zur Heimatliebe von Thüga und der “Gothaer”, die beide in der Residenzstadt gegründet wurden

Bereits zum achten Mal hieß es am 04. März 2018 im “Kultur: Haus Dacheröden” in Erfurt „Mein Lieblingsbuch“. Zu Gast an jenem Sonntag war Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch, “der weit über die Grenzen der Stadt den Ruf genießt, einer der umtriebigsten Kommunalpolitiker des Landes zu sein”, so die die Ankündigung des VEREINS HERBSTLESE auf seiner gleichnamigen Homepage.

“Seit er im Rathaus sitzt”, so kann man auf der Homepage weiterlesen, “heißt es ´Gotha adelt´. Der SPD-Politiker unterhält nicht nur beste Kontakte in die Fürstenhäuser des Kontinents und darf hin und wieder sogar der Queen die Hand schütteln, er machte auch seinen Geburtsort Wechmar zum Stammort der Familie Bach. Als Präsident des Deutschen Trachtenverbandes schlüpft er auch gern selbst in eine regionaltypische Tracht.”

Interessant war für die große Zuhörerschaft nicht nur zu erfahren, welche Bücher Knut Kreuch auf seinem bisherigen aufregenden Lebensweg begleiteten, sondern zugleich wusste der 51-Jährige vor vollem Saal zu brillieren, wenn es um die Einordnung historischer Sachverhalte im Kontext zur Stadt Gotha, aber auch darüber hinaus ging.

AKTUELLES nutzte die Chance für ein Interview.

Herr Oberbürgermeister mit “Gotha adelt” versuchen Sie auf besondere Art und Weise die Frage nach dem “Woher kommen wir? Mit der Frage “Wer sind wir? für die Residenzstadt Gotha zu verknüpfen. Wie wichtig ist für Sie der Heimatbegriff, der von der Politik gegenwärtig wieder neu entdeckt wird?

Heimat hat für mich einen enormen Stellenwert, denn sie ist für mich Wurzel unseres Denkens und Handelns. Wer eine Heimat zu schätzen weiß, wird nie die Natur zerstören oder Gewalt gegen Menschen anwenden. Heimat heißt zu wissen, woher man kommt und weltoffen zu sein. Schon vor 12 Jahren habe ich dem Wort Gotha für jeden Buchstaben einen Inhalt gegeben: G=Gemeinsamkeit; O=Offenheit; T=Tradition; H=Heimat und A=Arbeit. Die Dachmarke „Gotha adelt“ lebt diese Visionen, denn jeder der hier wohnt, hier investiert und sich hier engagiert, der soll sich geadelt fühlen.


In welchem Kontext denken Sie dabei Heimat, deutsche, europäische und Weltkultur?

Ich denke Heimat als sehr individuellen Wert. Heimat ist nicht statisch, nicht zu verorten auf einen Punkt. Jeder Mensch muss sich seinen Heimatbegriff selbst erarbeiten, dann kann er ihm auch nicht gestohlen werden. Heimat ist für mich mein Geburtsort, meine Familie, Heimat sind Freunde, die in aller Welt leben und Lebenseinstellungen, wie die EUROPEADE, die ganz Europa zusammen führt.


Wie gelingt es Ihnen, beim Heimatbegriff die Stadtgesellschaft einzubeziehen?

Sie sprechen darauf an, dass es auf dem Dorf leichter ist. Das stimmt. Aber besonders der Stadtbürger braucht einen Stolz auf seine Heimatstadt, auf den Ort, mit dem er sich identifiziert. Dass kann der Fußballplatz sein oder das Schloss, der mit Spenden erbaute Bürgerturm genauso wie die Glocken von Sankt Margarethen. Es kommt immer auf den Menschen an und der Mensch braucht Vorbilder, man muss Menschen zeigen, dass sie auf eigene Leistungen stolz sein können. In Gotha war es das Stadt-Bad, wo sich Bürger den Wunsch nach Schwimmen erfüllten und rund einhundert Jahre später den Wunsch nach Restaurierung. Man darf den Bürgern auch einmal Mut machen zufrieden zu sein, mit dem was erreicht ist und nicht immer nach „MEHR“ zu streben. Ich sage den Leuten: Geht hinaus in die Welt und ihr kommt mit Heimatstolz und Heimatliebe zurück.

Thüringen beschäftigte sich in jüngster Zeit sehr intensiv mit seinem künftigen organisatorischen Aufbau (Stichwort Gebietsreform). Ist neben einer Funktionalreform der Heimat-Begriff vielleicht zusätzlicher wichtiger Kompass bei denkbaren neubestimmten Kreisgrenzen?

In diesem Falle darf man den Begriff Heimat nicht überstrapazieren. Ich weiß auch nicht, ob wir ein Heimatministerium im Bund brauchen, was wir vor Ort brauchen, sind Heimatpfleger in jedem Dorf, jeder Stadt und jedem Landkreis. Und ich sage auch eines: Nur weil sich Ortsgrenzen oder Kreisgrenzen ändern, kann mir Niemand meine Heimat nehmen.


Thüringen ist bekanntlich unter demographischen Gesichtspunkten eines der am stärksten betroffenen Bundesländer, und Migration wird als ein denkbares Element des Gegensteuerns begriffen. Ist hierbei der Heimatbegriff derart nutzbar, er integrativ wirken könnte?

Viele Menschen haben nach den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts eine neue Heimat in Thüringen gefunden. Mein Schwiegervater kam aus dem heutigen Polen, meine Schwiegermutter aus der heutigen Tschechei. An der Schwelle des 21.Jahrhuderts kamen wieder viele neue Kulturen zu uns. Unsere Willkommenskultur ist wichtig, aber, wer dauerhaft bei uns leben will ist herzlich willkommen, wenn er sich in unserer Lebenswelt integriert, es darf keine Parallelgesellschaften geben, und es ist wichtig, dass die deutsche Sprache unsere Verständigungsbasis ist. In Frankreich oder den USA wäre es unvorstellbar, wenn Deutsche dort neue Heimat finden, dass sie sich nur auf Deutsch verständigen würden.


Bei der Vorstellung Ihrer Lieblingsbücher wurde, vielleicht normal für eine Literaturveranstaltung, auf die wirtschaftliche Entwicklung Gothas nicht eingegangen, wenngleich große Unternehmen als Ausgangspunkt Ihrer Gründung einst Gothas hatten; ich denke da beispielsweise an die Thüga AG (1867 in Gotha als Thüringen Gas AG gegründet) oder die Gothaer Versicherungsbank VVaG (1779/1820 in Gotha gegründet). Gibt es in solchen Konzernen so etwas wie “Heimat”, sprich eine Unternehmenskultur, die, geeignet, ihr “Woher” mit dem “Wohin” verknüpft?

Unternehmen haben es heute schwer in der globalen Welt sich auf ihre Ursprungsorte zu besinnen, besonders dann, wenn sie durch wirtschaftliche Entscheidung oder politische Zwänge ihren Gründungsort verlassen mussten. Ich träume manchmal davon, wie toll es wäre, wäre die GOTHAER noch in Gotha. Das hätte Auswirkungen auf Kaufkraft in der Stadt, Bildung der Bürger, Kulturangebote, Ausbildungs- und Arbeitsplätze usw. Manchmal schaue ich neidisch auf die HUK nach Coburg, aber ich weiß auch, wie abhängig die Stadt von deren Entwicklungen ist. In Gotha herrscht ein guter Branchenmix vor, wir haben eine große Dichte an Industriearbeitsplätzen und einen starken Mittelstand. Ich sage immer, alles was in der Welt funktioniert, muss ein Bauteil aus Gotha besitzen. Und dafür darf man Unternehmern genauso wie Arbeitsnehmern einfach einmal DANKE sagen.

Portrait Oberbürgermeister Knut Kreuch

Knut Kreuch wurde am 7. Dezember 1966 in Wechmar geboren und ist seit dem 1. Juli 2006 Oberbürgermeister der Residenzstadt Gotha. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Ausbildung
Er besuchte von 1973 bis 1983 die Polytechnische Oberschule in Wechmar und schloss diese mit der Note “sehr gut” ab. Anschließend begann er eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser. Nach dem Fall der Mauer begann er von 1991 bis 1994 ein Studium als Betriebswirt (VWA) und Verwaltungsbetriebswirt (VWA).

Berufsleben
1985 bis 1989 arbeitete Knut Kreuch als Schlosser im Fahrzeugwerk Wechmar. In den Jahren des Umbruchs, also 1989 bis 1990, war er Kreisgeschäftsführer des Kulturbundes der DDR.
Nachdem die kommunalen Strukturen erneuert und dem westlichen Vorbild angepasst wurden, begleitete er von 1991 bis 1994 ein Amt in der Abteilung für Kultur der Stadt Gotha. In dieser Zeit entstand durch seine Initiative die Idee zum “GOTHARDUSFEST” und dem damit verbundenem Streitgespräch des Gothardus mit dem Landgrafen. Zehn Jahre lang hat er selbst die Person des Landgrafen Balthasar verkörpert, wovon er sich im Mai 2005 verabschiedete.

1994 bis 1998 arbeitete er als Pressereferent des Gothaer Oberbürgermeisters Volker Doenitz. In dieser Zeit initiierte er die Wiederbelebung der Städtepartnerschaften nach Salzgitter und Martin sowie die Neubegründung der Städtepartnerschaft ins polnische Kielce. Die Rehabilitierung des Retters von Gotha, Josef Ritter von Gadolla, lag ab 1995 federführend in seinen Händen, ebenso die Herausgabe des Buches “GOTHA 1945”, des Buches “100 Jahre Wasserkunst” und des “Gothaischen Jahrbuches”.

Die Stelle als Pressereferent gab er zu Gunsten seines Geburtsortes auf, um 1998 Bürgermeister von Günthersleben-Wechmar zu werden. In seiner Amtszeit führte er seine Gemeinde zur “Thüringer Kulturgemeinde 2002” und zur “Thüringens seniorenfreundlichsten Gemeinde 2002”. In diesem Jahr konnte er auch den Thüringer Kulturpreis erringen. Der Titel “Beste ehrenamtsfördernde Gemeinde 2004” sowie der Titel “Schönstes Dorf Thüringens 2003” folgte und er konnte die Gemeinde zum Bundessieger als Deutsches Golddorf 2005 führen.

Am 1. Juli 2006 wurde Knut Kreuch im ersten Wahlgang mit 64,1 % der Stimmen Oberbürgermeister von Gotha.

Als Oberbürgermeister begleitet Knut Kreuch auch folgende Funktionen:

  • Aufsichtsratsvorsitzender der Kommunalen Beteiligungen Gotha GmbH
  • Aufsichtsratsvorsitzender der KulTourStadt Gotha GmbH
  • Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwirtschaft Gotha GmbH
  • Aufsichtsratsvorsitzender der Baugesellschaft Gotha GmbH
  • Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Gotha GmbH
  • Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
  • Kreisvorsitzender des Städte- und Gemeindebundes Gotha
  • 2. Vorsitzender der Gothaer Kulturstiftung
  • Mitglied des Thüringer Denkmalbeirates
  • Stellv. Vorsitzender der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

Politische Laufbahn
Knut Kreuch war von 1989 bis 1997 Abgeordneter des Kreistags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, welcher er im Februar 1990 beitrat. 1990 bis 1994 bekleidete er das Amt des 1. Beigeordneten in Wechmar. 1998 wurde er in diesem Ort Bürgermeister. Seit 2006 ist er der Oberbürgermeister von Gotha.

Vereinsarbeit
Neben seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister der Stadt Gotha ist Knut Kreuch auch in vielen Vereinen engagiert:

  • Wechmarer Heimatverein e.V.
  • Wechmarer Carneval Verein e.V.
  • Deutscher Trachtenverband e.V.
  • Thüringer Landestrachtenverband e.V.
  • Feuerwehrverein Wechmar e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Kommunalpolitiker
  • Deutsches Rotes Kreuz
  • Förderverein Sankt Viti Kirche Wechmar e.V.
  • Förderverein des Hauses der Bayerischen Trachtenkultur e.V.
  • Förderverein Kindertagesstätte GüWe e.V.
  • Förderverein Tivoli Gotha e.V.
  • Förderverein Deutsches Versicherungsmuseum Ernst Wilhelm Arnoldi Gotha e.V.
  • Ehrenmitglied des Stadtfeuerwehrverbandes Gotha

Knut Kreuch ist Präsident des Deutschen Trachtenverbandes und seit 1997 Landesvorsitzender des Thüringer Landestrachtenverbandes.

(*In loser Folge bittet der Verlag Vi-Strategie unter der Rubrik AKTUELLES Experten, Zeitzeugen und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte um Antwort zu allgemein-interessierenden Fragen.
Im 6. Interview (Sehen Sie bitte auch AKTUELLES vom 05./20.01 und 01./23./28.02.2018) gibt der Gothaer Oberbürgermeister Auskunft über seinen Heimatbegriff. NACHDRUCK OHNE GENEHMIGUNG NICHT GESTATTET.)