Hochschulzahnmedizin in Ostdeutschland/Erlebtes und Erlittenes in Berlin, Leipzig und Erfurt

Hochschulzahnmedizin in Ostdeutschland/Erlebtes und Erlittenes in Berlin, Leipzig und Erfurt

Quod non est in actis non est in mundo (2*)

Finanzielle Unterstützung für die Veröffentlichung eines wichtigen Buchs gesucht

Prof. em. Dr. med. dent. habil.
Dr. h. c. mult. Walter Künzel.

Keine Zukunft ohne Herkunft – und, “was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt” (quod non est in actis non est in mundo”). Walter Künzel weiß wovon er spricht. 1964-1975 Berufung als o. Professor für Konservierende Zahnheilkunde an die Universität Leipzig mit Ernennung zum Direktor der gleichnamigen Poliklinik. 1975 Umberufung auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Präventive Zahnheilkunde an die Medizinische Akademie Erfurt (MAE) und an dieser Einrichtung von 1975-1993 Direktor des Wissenschaftsbereiches Präventive Zahnheilkunde und bis 1990 Direktor der Sektion Stomatologie, danach von 1990-1993 erster demokratisch frei gewählter Rektor der MAE, hat er viel zu berichten.
Wenn es um die Geschichte der Hochschulzahnmedizin in Deutschland geht, dann ist er gefragter Partner. Somit war es für den sympathischen und eloquenten “Prof. em.” nur eine Frage der Zeit, sich in Sonderheit der Geschichte der ostdeutschen Zahnmedizin in Verknüpfung mit drei Hochschulstandorten, nämlich denen in Berlin, Leipzig und Erfurt zu widmen. Herausgekommen ist eine sehr wichtiges Werk, dass nunmehr eines Förderers bedarf, um mit dem Druck einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu sein. Das folgende Interview gibt Einblick in das Werk.

Herr Professor, vor Kurzem haben sie ein weiteres Buch mit dem Titel „Hochschulzahnmedizin in Ostdeutschland – Erlebtes und Erlittenes“ abgeschlossen. Was gab den Anstoß, sich nach mit einer derart anspruchsvollen Thematik auseinanderzusetzen?

Erstens, muss man im Ruhestand für den Erhalt seiner körperlichen und geistigen Kondition sorgen. Zweitens, schien es mir bedeutsam die differente Entwicklung der Hochschulzahnmedizin nach der kriegsbedingten Trennung Deutschlands aus ostdeutscher Sicht zu zeichnen, und drittens, „Quod non est in actis non est in mundo“. Also ausreichende Gründe, das Projekt aufzugreifen und einer Wertung zu unterziehen.


Welches Konzept liegt der historiographischen Abhandlung des Geschehens zugrunde?

Zunächst ist anzumerken, dass ich als Einziger über mehr als vier Jahrzehnte an drei Hochschulen der DDR wirkte und über Einblicke verfüge, die anderen verschlossen blieben. Wie im Nachsatz des Titels „Erlebtes und Erlittenes“ angedeutet, ist das Buch kein klassisch historisches. Es fördert auch Emotionen und Haltungen zu Tage, die in Dokumenten, Verordnungen und der Literatur nicht verankert sind. Falls Zeitzeugen nicht zu Wort kommen, fehlen Informationen, die Ungereimtheiten erklärbar und sachlich interpretierbar machen.

Das Buch gliedert sich in die Abschnitte Humboldt-und Leipziger Universität sowie die Medizinischen Akademie Erfurt. Die Berliner Jahre spiegeln die Sicht des Lernenden und Suchenden wider, während es in Leipzig galt das wissenschaftliche Profil der Zahnerhaltung an der Klinik zu schärfen und auf internationales Niveau zu heben. Als Herausforderung erwies sich dann der Aufbau der 1975 in Erfurt etablierten „Grundstudienrichtung Stomatologie“ im Humboldt´schen Sinne „forschenden Lehrens und lehrenden Forschens“.


Ich habe den Eindruck, dass es sich bei dem Werk um eine „trockene“, vordergründig für den Fachinteressenten verfasste Dokumentation handelt? Teilen sie die Meinung oder widersprechen sie ihr?

Ja und nein, denn die Geschichte wird von Menschen geprägt, auch an Universitäten. So sollte man die Vita der agierenden Repräsentanten kennen, da sie bei Herausforderungen als Konterparts je nach Temperament und Erfahrung mitunter konfliktbezogen auch mal emotionell reagieren. Den Leser wird wohl das umfangreiche Personenverzeichnis überraschen, ebenso wie die biographische, mitunter kritische Charakterisierung von Personen, die sich am Aufbau des sozialistischen HS-Wesens rieben und mannigfaltigen Konflikten ausgesetzt, an ihm zerschellten. Übrigens wird die Sachlichkeit durch die facettenreiche zahnmedizinische Geschichte vom Zahnreißer hin zum medizinintegrierten Wissenschaftsgebiet lesbar aufgelockert.


Welche Entwicklungen waren dafür bestimmend?

Aufgrund originärer Forschungen unterlag das Fach einem Paradigmenwechsel von der Kurative zur Prävention mit Konsequenzen für die Aus- und Fortbildung der Zahnärzte. Die ostdeutsche Zahnmedizin musste – trotz geo- und innenpolitischer Hemmnisse – mit der Wissenschaftsentwicklung im Schrittmaß bleiben, denn das neue Wissen rüttelte an ihrem traditionellen Gebäude und erzwang konzeptionelles Umdenken. Speziell die Ursachenabklärung der Zahnkaries und Zahnfleischerkrankungen ebneten der Vorbeugung effektive Möglichkeiten (Stichwort Fluoride) mit populationsweiter Verbesserung der Mundgesundheit sowie deutlichen Rückgang des Behandlungsbedarfs. Hinzu kamen werkstoffliche und apparative Neuerungen bis hin zu klinischen Verfahren der Früherkennung oraler Erkrankungen. Zudem bildeten sich die Parodontologie, Kieferorthopädie, Kinderzahnheilkunde, Implantologie und Gerostomatologie zu eigenständigen Fächern und die Gesundheitswissenschaft setzte sich „mit den geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit sowie ihrer systemischen Verknüpfung“ auseinander und erforderte neue Betreuungskonzepte. All das detailliert darzustellen empfand ich als interessante Herausforderung, die ich gern angenommen habe.

(*In loser Folge bittet der Verlag Vi-Strategie unter der Rubrik AKTUELLES Experten, Zeitzeugen und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte um Antwort zu allgemein interessierenden Fragen; sehen Sie bitte auch 05. Januar 2018.

Im 2. Interview antwortet Prof. em. Dr. med. dent. habil. Dr. h. c. mult. Walter Künzel, erster demokratisch frei gewählter Rektor der Medizinischen Akademie Erfurt, (aber auch letzter, da die Einrichtung infolge der Wiedergründung der Universität Erfurt als einzige der in der ehemaligen DDR existierende Medizinische Akademien geschlossen wurde). Prof. Künzel ist Autor des Verlages Vi-Strategie. Seine Vita und eine Übersicht zu seinen Werken sind an entsprechender Stelle dieser Homepage nachzulesen.

Der Autor gibt in diesem Interview Auskunft über sein jüngstes Werk, in dem er seine Erfahrungen aus mehr als vier Jahrzehnten Wirken an drei Hochschulen der DDR aufarbeitet.

Der Autor ist derzeitiger Sprecher der Erfurter Apostelgemeinschaft.

Prof. Künzel anlässlich des Neujahrsempfangs der Erfurter Apostelgemeinschaft am 20.01.2018 hier im Gespräch mit Rechtsanwältin Christina Otto, Geschäftsführerin der WWG Kölleda Wohnungswirtschaft GmbH.

Die Mitglieder der Erfurter Apostelgemeinschaft mit Prof. Künzel (5. v. re. nach li.). Die Gemeinschaft feiert am 03. Mai 2019 die 200-jährige Wiederkehr ihrer Gründung.