“Mich treiben meine Neugierde und mein Interesse an erfolgreichen Unternehmen an”

Im Gespräch mit Lars Lange, Geschäftsführer der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

“Mich treiben meine Neugierde und mein Interesse an erfolgreichen Unternehmen an”

Nicht “groß” oder “klein”, sondern die unternehmerischen Antworten auf die Herausforderungen Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie entscheiden über die Zukunft des jeweiligen Stadtwerks.

In loser Folge interviewt Vi-Strategie GmbH Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen, die maßgeblich die Energiewende mitgestalten. Neben dem Website-Interview geschieht das jeweils in einem gesonderten Film-Interview, der auf dem YouTube-Energy-Channel Vi-Strategie GmbH präsentiert wird.

Die CEO-Filmreihe beschäftigt sich mit Fragen zu ausgewählten Themen der Energiewende und bietet zudem die Möglichkeit, das jeweilige Unternehmen sowie den Unternehmensverantwortlichen näher kennenzulernen.
Die filmische Wiedergabe von Statements vermittelte eine neue, intensiv-erweiternde Dimension innerhalb der Debatte zur Energiewende und entwickelt mittlerweile ein filmisches Kompendium zur Energiewende. Anhand der Filme – übrigens auch über die Mitteldeutschen Energiegespräche – und somit anhand zahlreicher Protagonisten lässt sich die Energiewende auf sehr persönlich Weise filmisch erzählen.

Die CEO-Filmreihe startete mit Hans-Joachim Herrmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH, und seinen Erfahrungen im Stadtwerk, seinen Überlegungen zur Zukunft der Kommunalwirtschaft und seiner Position zur Gaswirtschaft im 21. Jahrhundert. Es folgte das Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der VNG AG Ulf Heitmüller zur Strategie 2030+ seines Unternehmens als Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende sowie zu den Chancen und Entwicklungen grüner Gase mit dem Fokus auf Mitteldeutschland.
Ihre Fortsetzung findet die CEO-Filmreihe im Gespräch mit Lars Lange, Geschäftsführer der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH zur Zukunft der Stadtwerke.

Lars Lange Geschäftsführer der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH. Foto: Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

Herr Lange, nach einer 5-jährigen Tätigkeit beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young wechselten Sie ab Oktober 2008 zunächst als Assistent der kaufmännischen Leitung in die Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH und wurden ab Juli 2016 Geschäftsführer dieses Unternehmens.
Welche Erfahrungen aus dem Wirtschaftsprüferbereich prägen noch heute Ihr Handeln im Management-Bereich?

Da gibt es mehrere Parallelen. Zum einen wäre da das Prozessdenken zu nennen, d.h. wie kann man Prozesse effektiv und effizient gestalten? Und: Wie kann man diesen Prozess in Ablauf und Ergebnis kontrollieren (z. B. durch Vier-Augen-Prinzip)?

Dazu gehört auch, jegliche Arbeitsschritte schriftlich festzuhalten. Denn was nicht dokumentiert ist, wurde nicht erledigt und lässt sich im Nachgang auch nicht auswerten.

Weiterhin habe ich gelernt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aus der Erfahrung heraus sind 80 % meist ausreichend, da die restlichen 20 % in keinem Verhältnis zu Aufwand und Nutzen stehen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für mich außerdem, die Entwicklung der sozialen Kompetenz. Durch ständig wechselnde Prüfungsteams habe ich den Umgang mit verschiedenen Menschentypen kennengelernt. Das hat sich bei den Stadtwerken fortgesetzt. Da konnte ich in den letzten Jahren viele Erfahrungen sammeln.

Letztlich treiben mich meine Neugierde und mein Interesse an erfolgreichen Unternehmen an. Warum hat man sich dafür entschieden? Wieso macht gerade dies Sinn? Das kritische Hinterfragen von Unternehmensentscheidungen ist wichtig, um gute Ergebnisse zu erzielen.

Ein Blick auf die Website der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH vermittelt einen Überblick über die zahlreichen Projekte, die Sie in Ihrer bisherigen Stadtwerkezeit gemeinsam mit Ihrem Team entwickeln konnten.
Gibt es dabei ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Alle Projekte waren und sind wichtig. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt mir eher übergeordnet das „Projekt Zukunft“ am Herzen. Wie sehen die künftigen Stadtwerke aus? Wo liegen die Schwerpunkte? Antworten auf diese Fragen sind u. a. die Digitalisierung, Dekarbonisierung, aber auch die Herausforderungen der Demografie. Daran arbeiten wir.

Ihr Produktportfolio umfasst Stromangebote, die zu 100% aus Erneuerbaren Energien stammen. Kann man das aus Ihrer Erfahrung heraus als gewisses Alleinstellungsmerkmal für ein Unternehmen dieser Größenordnung ansehen?

Mittlerweile ist das grüne Stromportfolio keine Besonderheit mehr. Auch andere Mitwettbewerber haben diesen Trend erkannt und bieten entsprechende Produkte an. Das bedeutet für uns jedoch nicht, ökologische Grundsätze aufzugeben.

Nachhaltigkeit ist und bleibt eine Herzensangelegenheit, auch wenn es einen kleinen Preisaufschlag bedeutet. In der Praxis erwerben wir grüne Zertifikate aus Europa und stellen damit die physikalische Lieferung für jeden Kunden grün.

Im Netzgebiet selbst liegt unsere derzeitige Erneuerbare-Energien-Einspeisequote bei 38 %.

Ihr Produkt TWINSOLAR – solare Lüftung gegen Feuchtigkeit, beispielsweise in Kellern, muss doch auf reges Interesse, insbesondere bei so manchem Eigentümer eines in die Jahre gekommenen Mehrfamilienaltbaues, stoßen. Wie funktioniert es und wie gut kommt dieses Produkt bei ihren Kunden an?

Bei diesem Produkt kooperieren wir mit Grammer Solar aus Amberg. Das Angebot funktioniert so: Ein solarbetriebener Lüfter saugt Frischluft an, erwärmt diese und führt sie nach drinnen.  Parallel dazu wird verbrauchte und feuchte Luft nach außen befördert. Dieses autarke Solar-Luft-System dient immer als Ergänzung zum primär verwendeten Energieträger und ist vor allem für sanierte Bestandsgebäude interessant.

Eine gewisse „Anfangsneugier“ bei unseren Kunden ist durchaus vorhanden. Derzeit erläutern wir in monatlichen Beratungsterminen dieses praktische Abluftsystem und geben auch Hinweise auf staatliche Förderungen.

Man sagt Versorgungsunternehmen gelegentlich größeres Beharrungsvermögen nach. Welche Veränderungen konnten Sie gemeinsam mit den Stadtwerkemitarbeitern umsetzen?

Da entsprechen wir wahrscheinlich nicht ganz dem gängigen Rollenbild ;-). Auch wenn es uns viel Kraft kostet, so haben wir die Notwendigkeit der Digitalisierung früh erkannt und Prozesse aus allen Bereichen auf den Prüfstand gestellt. Bereits umgesetzt wurden z. B. das Kundenportal, der elektronische Rechnungseingang, der Online-Schachtschein oder die regelmäßige Weiterbildung unserer Mitarbeiter durch einen digitalen Campus. Zurzeit arbeiten wir an einem Workforce-Management zur Digitalisierung von Ablese- und Zählerwechselprozessen, der in diesem Jahr abgeschlossen sein wird. Ein weiterer Baustein ist die offene Kommunikation und die Einbindung der Mitarbeiter in Unternehmensprozesse. Wir fördern durch regelmäßige Vier-Augen-Gespräche den Austausch zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Außerdem regen wir durch ein implementiertes Ideenmanagement dazu an, aktiv mitzugestalten. In Zeiten der permanenten Veränderungen sind Austausch und Dialog mit den Mitarbeitern unverzichtbar, um auch alle auf unserem Weg mitzunehmen.
Diese Art der offenen Unternehmenskommunikation praktizieren wir auch extern. Mit den Social Media-Kanälen wie Facebook und YouTube sind wir für die Öffentlichkeit nahbarer und transparenter geworden. Wir transportieren unsere Inhalte, ob Bautätigkeit, Veranstaltungen oder Produktinformationen und beleben damit bewusst unseren Claim „Immer für mich nah.“

Nun hat die Coronavirus-Krise über längere Zeit zum Lockdown im gesamten Land geführt. Das war ein Stress-Test für so manches Unternehmen. Ihr Unternehmen zählt zur kritischen Infrastruktur. Wie schätzen Sie die bisherigen Ergebnisse des Stress-Tests für die Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH ein?

Zunächst bin ich sehr froh, dass wir bis dato keinen direkten Covid-19 Fall zu verzeichnen hatten. Das ist auch der Umsicht unserer Mitarbeiter, dienstlich wie privat, zu verdanken.

Das moderne Gebäude der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH. Foto: Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

Grundsätzlich sind Stress-Tests in der Infrastruktur nichts Ungewöhnliches, dafür sind wir auch TSM (Technisches Sicherheitsmanagement) zertifiziert und bilden uns regelmäßig fort. So sind wir stets in der Lage, z.B. bei Umgang mit Gasgeruch oder Stromausfall, angemessen und konzentriert zu agieren.
Covid-19 war natürlich auch für uns etwas ganz Besonderes. Die anfängliche Ungewissheit ist schnell der Besonnenheit und dem Pragmatismus gewichen. Ein umgehend eingerichteter Krisenstab aus Führungskräften, der Unternehmenskommunikation und der Geschäftsführung wurde zu regelmäßigen Abstimmungsrunden einberufen. Dort haben wir gemeinsam abgewogen, welche notwendige Regeln im Unternehmen umgesetzt werden und in welchem Zeitraum. Die hohe Taktung der Informationen und die guten Kommunikationswege haben dann unsere ca. 50 Mitarbeiter immer wieder auf´s Neue „abgeholt“ und auf den aktuellen Stand gebracht. Eine große Herausforderung bestand für die Mitarbeiter mit Kindern, aber auch für Kollegen, die zur Risikogruppe gehören. Hier mussten flexible Lösungen, z. B. durch mobiles Arbeiten, geschaffen werden.
Nicht zuletzt haben wir auch für unsere Kunden Kompromisse finden können, die hinsichtlich der Pandemie keine oder weniger Einkünfte hatten. Die digitale und telefonische Erreichbarkeit hat uns geholfen, auch ohne persönlichen Kontakt für die Kunden „nah“ zu sein. Grundsätzlich gab es einen sehr guten Dialog zwischen allen und gegenseitiges Verständnis.

Ihre Außendarstellung vermittelt neben ökologischer Kompetenz diese zugleich im digitalen und im Social Media-Bereich. Beispielsweise steht auf der Website Ihres Unternehmens „Nähe bedeutet für uns, nah am Geschehen unserer Kunden zu sein. Und das auf allen Ebenen. Sei es Sponsoring, E-Mobilität, Versorgungssicherheit, erneuerbare Energien oder Digitalisierung – wir sind nah dran!“
Haben es kleinere Unternehmen aufgrund der Kundennähe nach Ihren Erfahrungen einfacher, eine solche Selbstverpflichtung umzusetzen?

Ja und nein. Vorteilhaft sind sicherlich unsere Nähe, unser Bekanntheitsgrad, die Präsenz der Mitarbeiter vor Ort und die Aktivität bei regionalen Veranstaltungen. Das nehmen unsere Kunden wahr und das hilft uns im Wettbewerb. Hingegen ist es für kleine Unternehmen im teilweise disruptiven Umfeld der Energiewirtschaft eine riesige Anstrengung, zu bestehen. Daher setzen wir umso mehr auf die kreativen Köpfe im eigenen Haus, die ideenreiche Lösungen und Angebote rund um das Thema Strom und Gas entwickeln. Wir kooperieren dafür mit Dienstleistern oder integrieren uns auf Plattformen, um das dort vorhandene Know-how für uns zu sinnvoll zu nutzen. Die Kunden fragen immer häufiger nach Komplettpaketen und Energiedienstleistungen im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien oder E-Mobilität. Diese komplexen und erklärungsbedürftigen Angebote müssen wir im Portfolio haben, Strom und Gas allein reichen schon lange nicht mehr aus. Das bedeutet für uns, nicht stehen zu bleiben und sich vertrieblich immer wieder neu zu erfinden.

Beim Stichwort kleinere Unternehmen fällt das Augenmerk bei Ihrem Unternehmen sogleich auf den bundesweiten Thüga-Stadtwerke- und Energieversorgerverbund, in dem die Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH vertreten ist und Sie zugleich ein Aufsichtsratsmandat innehaben.
Ist die Mitgliedschaft Ihres Unternehmens in der KOM9 GmbH & Co. KG Garant für stabile unternehmerische Entwicklung?

Der Verbund der Thüga-Beteiligungen ist eine Plattform vieler „Gleichgesinnter“, in der man sich jederzeit austauschen kann. Auch sind die Ansätze der Thüga hilfreich, wie z. B. die Bewertung von aktuellen Gesetzesänderungen und deren Handlungsempfehlungen. Zudem kann man von den bei der Thüga entwickelten Innovationen partizipieren.

Das alles ist aber kein Garant für eine stabile unternehmerische Entwicklung. Letztlich ist die aktive Mitgestaltung eines jeden einzelnen Unternehmens gefragt.

Im Bereich Social Media sind die Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH sehr aktiv, haben eine eigene Facebook-Seite und einen YouTube-Account mit zahlreichen Videos und sogar 30 Abonnenten. Erreichen Sie auf diesem Weg viele Kunden und Partner?

Unsere Fanzahlen der Facebook-Seite haben sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Derzeit haben wir 732 Abonnenten und 686 Fans. Wir haben eine sehr aktive und treue Community und arbeiten nicht mit „gekauften“ Fans. Das ist nachhaltiger und vermeidet Kurzzeiteffekte.

Wir versuchen, unsere Kunden auf den Kanälen zu erreichen, wo diese auch aktiv sind. Da gehört Facebook und YouTube einfach dazu. Auf diese Art und Weise bieten wir an, sich mit uns auszutauschen und ggf. ein Feedback zu bekommen. Ich finde schon, dass wir viele Kunden und Partner erreichen, das wird mir auch regelmäßig bei persönlichen Treffen widergespiegelt.

Abschließend noch eine ein wenig ausgefallenere Frage, Sie verfügen vermutlich als einziges oder eines von sehr wenigen Stadtwerke über einen eigenen Song. „Krach für´s Vogtland“ heißt er. Wie kam es dazu?

Ja und da sind wir mega stolz drauf. Es war die Idee von Kerstin Müller (Unternehmenskommunikation) in Vorbereitung auf 25 Jahre Stadtwerke. Es sollte etwas Besonderes werden! Und dies ist es auch. Gut ein Jahr davor hat die gesamte Belegschaft unseren ehemaligen Geschäftsführer, Werner Siegert, mit einem gemeinsamen Lied und Musikvideo überrascht. Dies kam so gut an, da war Wiederholung angesagt.

Herr Lange, herzlichen Dank für das sehr interessante und angenehme Gespräch. RO

Kurzvita

Lars Lange ist am 02.01.1979 in Karl-Marx-Stadt geboren.

1997
Abitur und anschließend Ableistung des Wehrdienstes

1998-2000
Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel bei der Firma KiK Textilien und Non-Food GmbH

2000-2004
BWL-Studium zum Diplom Kaufmann an der Westsächsischen Hochschule Zwickau mit den Studienschwerpunkten Rechnungswesen sowie Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung, Diplomthema: Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act und andere europäische/deutsche Vorschriften auf die Versicherungswirtschaft und die Revision

2004-2008
Wirtschaftsprüfer bei Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, im letzten Jahr als Prüfungsleiter in der Wirtschaftsprüfung tätig

Oktober 2008 – Juli 2009
Assistent der Kaufmännischen Leitung der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

August 2009 – Juni 2016
Kaufmännischer Leiter der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

2010
Prokura der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH

01.07.2016 – heute
Geschäftsführer der Stadtwerke Reichenbach/Vogtland GmbH