
VI-STRATEGIE IM GESPRÄCH:
“Wir haben großes Vertrauen in die Gasversorgung und sind davon überzeugt, dass diese auch in Zukunft, wenn es um ökologische Energieversorgung geht, eine große Rolle spielen wird.”
Interview mit Hans-Joachim Herrmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH, über das Unternehmen, die Gaswirtschaft im 21. Jahrhundert und über seine Erfahrungen
Sehr geehrter Herr Herrmann, Sie sind seit 28 Jahren Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg, die 1991 gegründet wurden. Wie haben sich die Stadtwerke seit ihrer Gründung entwickelt?
28 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. In diesen Jahren ist viel passiert. Am 06.06.1990 hat der Stadtrat der Stadt Wittenberg beschlossen, die Stadtwerke zu gründen und formal ist dies dann am 19.02.1991 geschehen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Der Notar hatte zu dieser Zeit noch kein richtiges Büro, also fand der Prozess in seinem Wohnzimmer statt – abends 20 Uhr. Am nächsten Tag ist dann das erste offizielle Schreiben der Stadtwerke in die Post gegangen. Es war ein Schreiben an die VNG AG mit der Bitte um Aufnahme von Verhandlungen für einen Gasliefervertrag. Dennoch haben wir aber zunächst, wie viele andere auch, mit der Fernwärmeversorgung angefangen. 1992 begannen wir mit der Gasversorgung und ein Jahr später haben wir Wittenbergs Straßenbeleuchtung übernommen. 1994 kam die Wasserversorgung dazu. Im darauffolgenden Jahr begannen wir mit der Stromversorgung durch den Bau unseres Blockheizkraftwerks. Seit 1996 führen wir den Abwasserbetrieb. 1998 haben wir die Tochtergesellschaft Kommunalservice gegründet.
Sie umfasst beispielsweise die Straßenunterhaltung, Grundflächenpflege und Friedhofsdienstleistungen. 2003 gründeten wir die Bäder und Freizeit GmbH und haben damit die öffentlichen Bäder der Stadt Wittenberg übernommen. Auch 2003 beziehungsweise zum 01.01.2004 sind wir als Aktionär in die VNG AG eingestiegen und damit ebenfalls in die VUB. Unsere jüngste Tochtergesellschaft, die Wittenberg Net GmbH, gibt es seit 2016. Hier bilden die Breitbandversorgung, die TV-Versorgung und schnelles Internet die Geschäftsschwerpunkte. Sie sehen also, in den 28 Jahren hat sich das Unternehmen dynamisch entwickelt.
Sie haben gerade unter anderem ihre aktuellen Geschäftsschwerpunkte angesprochen. Welche zukünftigen Schwerpunkte sehen Sie für ihr Unternehmen?
Im Moment konzentrieren wir uns auf den Ausbau der Breitbandversorgung. Diese ist neben schnellem Internet, einer TV-Versorgung und Triple Play natürlich auch Voraussetzung für das smarter werden der Energienetze. Wenn wir diese Kommunikationsnetze ausgebaut haben, können wir sie ebenfalls dafür nutzen, unsere eigenen Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmenetze intelligenter und effektiver zu steuern.

In wieweit sind Sie in der Ökomobilität tätig? Was bieten Sie ihren Kunden an?
Wir, die Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH, haben unseren Fuhrpark nahezu 100 Prozent, bereits vor über 10 Jahren, auf Erdgasfahrzeuge umgestellt. Wir betreiben 2 Erdgastankstellen und im Umkreis von 35 Kilometern um Wittenberg verfügen wir über 7 Erdgastankstellen. Damit sind wir eigentlich relativ gut versorgt. Elektromobilität ist etwas neuer. Wir betreiben, seit etwa 7 Jahren, unsere erste Stromtankstelle direkt an unserem Standort. Auch unsere Ladepunkte haben wir in den letzten Jahren nochmal deutlich erweitert.
Wir betreiben derzeit 15 Ladepunkte in unserem Netzgebiet und dort kann Strom, im Moment noch, kostenlos getankt werden.
Ganz am Anfang haben Sie erwähnt, dass Sie seit 15 Jahren Aktionär der VNG AG sind. Wie sieht aus ihrer Sicht die Zukunft der Gaswirtschaft aus?
Nicht umsonst haben wir 1992 relativ schnell begonnen die Erdgasversorgung aufzubauen und haben damit den Kohleausstieg für die Region Wittenberg schon zu diesem Zeitpunkt eingeleitet. Wie sie wissen, haben die meisten Haushalte aber auch Industrie- und Gewerbebetriebe mit Kohle geheizt.
Dies haben wir relativ schnell verändert. Die Umwelteffekte hat jeder am eigenen Körper gespürt. Ich will damit sagen: Wir haben großes Vertrauen in die Gasversorgung und sind davon überzeugt, dass diese auch in Zukunft, wenn es um ökologische Energieversorgung geht, eine große Rolle spielen wird. In der Ökomobilität, glaube ich, dass Erdgas in den letzten Jahren einfach noch unterschätzt wurde oder nicht die notwendige Förderung erfahren hat. Ich glaube, dass man mit dieser Technologie einen Großteil der Ziele, die wir uns gesetzt haben, schon mit relativ wenig Aufwand sowie wenig Mitteln erreichen kann. Aber auch in der Gebäudeheizung wird die Gasversorgung noch eine große Rolle spielen.
Stichwort Energiewende. Haben Sie diesbezüglich Wünsche an die Politik?
Ich wünsche mir von der Politik einfach ein bisschen mehr Realismus. Oftmals möchte die Politik etwas das nicht oder nur mit sehr großem Aufwand realisierbar ist. Dies ist ein Punkt. Ein weiterer Punkt ist, dass die Anstrengungen, welche wir unternehmen, einfach mal ins Verhältnis zur gesamten Welt gesetzt werden sollen. Vor allem Klimagase sind nicht Deutschland oder Europa bedingt, sondern betreffen alle Länder.
Vor allem China, die USA und Indien…..
Ich war vor einigen Jahren in Indien. Wenn man sich die Energieversorgung mal mit offenen Augen ansieht, sprich mit offenen Augen durch die Straßen geht, stellt man fest, dass dort einiges anders ist.
Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?
Eine besondere Erfahrung war in einer relativ kleinen Stadt, Allahabad, welche nur etwa 10 Millionen Einwohner hat. Wenn man dort durch die Innenstadt geht, dann ist es einerseits nicht ganz so sauber in den Straßen wie bei uns. Andererseits steht vor jedem zweiten Geschäft ein Dieselaggregat. Der Auspuff befindet sich etwa in Atemlufthöhe. Ich habe nachgefragt, warum das so ist. Relativ oft ist dort der Strom weg und dann werden die Dieselaggregate angeworfen, damit die Geschäfte weiterbetrieben werden können. Gesund ist das gewiss nicht.
(Mehr finden Sie bitte in der mit diesem Interview startenden neuen Film-Reihe “VI-STRATEGIE TRIFFT” unter “IM GESPRÄCH: Hans-Joachim Herrmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH“, auf YouTube unter Vi-Strategie GmbH oder in der Mediathek auf www.verlag-vi-strategie.de.)

Vita
Hans-Joachim Herrmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg GmbH studierte Elektrotechnik und Automatisierungstechnik in Berlin und Zwickau.
Nach Tätigkeiten in der Industrie und Kommunalverwaltung übernahm er 1991 die Leitung der Wittenberger Stadtwerke, 1995 zusätzlich die Betriebsleitung des Entwässerungsbetriebes Lutherstadt Wittenberg.
Hans-Joachim Herrmann ist Mitglied in verschiedenen Gremien der Branchenverbände Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) und Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW). Zudem ist er Mitglied im Verwaltungsrat des KSA (kommunaler Schadensausgleich) und des Aufsichtsrates der VNG AG sowie Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der VNG VuB mbH.