Gerade um große Energievolumina zu verschieben und auch in der kalten Dunkelflaute Strom zu haben, brauchen wir chemische Speicher – allen voran grünen Wasserstoff.

Referenten der EAST Energy And Storage Technologies am 16./17.09.2019 in Erfurt (20): Vortrag über das CREMZOW Batterie-Energie-Speicher-System

Gerade um große Energievolumina zu verschieben und auch in der kalten Dunkelflaute Strom zu haben, brauchen wir chemische Speicher – allen voran grünen Wasserstoff.

Simon Müller: Im Zentrum meiner Arbeit steht die nächste Phase der Energiewende!

Am 16./17. September 2019 startet die erste EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference im CongressCenter der Erfurter Messe.

In loser Folge interviewt im Vorfeld AKTUELLES Redner, die in den verschiedenen Workshops mit ihren Themen zum Gelingen der EAST beitragen.

Heute gelten die Fragen Simon Müller, der im Workshop Technologien über das CREMZOW Batterie-Energie-Speicher-System (ein Projektkonsortium bestehend aus der ENERTRAG AG, ENEL Green Power Deutschland und Leclanché) berichtet.

Herr Müller, Sie sind seit Mai 2019 Leiter der Energiesystem der ENERTRAG AG in Berlin.

Worin liegen ihre aktuellen Arbeitsschwerpunkte? 

Im Zentrum meiner Arbeit steht die nächste Phase der Energiewende! Erneuerbare Energien sind in Deutschland stark gewachsen – aber dieses Wachstum hat sich sehr auf den Stromsektor konzentriert.

Das hat zwei Konsequenzen.

Erstens: Im Stromsystem brauchen wir hier und heute Lösungen, wie wir mit immer höheren Anteilen an Wind- und Solarenergie sicher und günstig umgehen können.

Zweitens: Wir brauchen Lösungen, die das Stromsystem mit den Sektoren Wärme, Transport und Schwerindustrie verbindet. Für diese Sektorenkopplung spielt insbesondere Wasserstoff eine entscheidende Rolle.

Mein Team bei ENERTRAG kümmert sich darum, genau für diese Fragen Lösungen zu entwickeln und erfolgreich am Markt zu platzieren.

Davor haben Sie 8 Jahre bei der International Energy Agency in Paris gearbeitet. Zuletzt als Abteilungsleiter Systemintegration Erneuerbarer Energien. Welche Erfahrungen beziehungsweise Erkenntnisse würden Sie rückblickend hervorheben?

Oh, da gibt es sehr viele Dinge! Ich habe sehr viel mit großen Schwellenländern gearbeitet, um dort die Energiewende im Stromsektor zu beschleunigen – China, Indien, Mexico und Brasilien zum Beispiel. Daneben haben wir aber auch Regierungen in Australien, Japan und auch Europa beraten.

Lassen Sie mich vielleicht drei Punkte hervorheben:

1) Erneuerbare Energien – vor allem Sonne und Wind – entfalten international eine immer stärkere Dynamik. Die Technologien sind gut etabliert und praktisch alle Länder auf der Welt erkennen die Möglichkeiten, die dies bietet.

2) All das reicht aber nicht, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wir machen uns in Europa, glaube ich, nicht genug klar, wie viele Menschen in China und vor allem Indien noch in großer Armut leben. Alleine diese zwei Länder haben knapp 3 Milliarden Einwohner! Es ist eine riesige Aufgabe, dass diese Menschen ihren Wohlstand auf einer nachhaltigen Grundlage aufbauen. Dafür reichen die Anstrengungen international aber bei weitem nicht aus.

3) Deutschland hat eine sehr wichtige Vorbildfunktion – leider aber merken die anderen Länder auf der Welt, dass bei uns die Dinge nicht mehr so ambitioniert laufen.

Deswegen habe ich mich auch entschieden wieder nach Deutschland zu kommen: wir müssen hier wieder vorangehen. Dabei entstehen für Deutschland auch wirtschaftliche Chancen.

Zur EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference am 16. und 17. September 2019 im CongressCenter der Erfurter Messe werden Sie als Referent im Workshop Technologien über das CREMZOW Batterie-Energie-Speicher-System berichten. Dies ist ein Projektkonsortium der ENERTRAG AG, ENEL Green Power Deutschland und Leclanché (Frankreich). Wie ist dieses Projektkonsortium entstanden? 

Schon vor über fünf Jahren hat ENERTRAG mit verschiedenen Batterieherstellern über die Möglichkeit gesprochen, eine Batterie für den Regelenergiemarkt und der Ermöglichung von Schwarzstartfähigkeit in das Verbundkraftwerk Uckermark aufzunehmen. Leclanché, ENEL Green Power und ENERTRAG haben sich letztlich als für das Projekt passende Partner zusammengetan.

Welches Ziel verbirgt sich hinter dem Projekt? 

Für ENERTRAG ist das Ziel des Projekts der weitere Ausbau des erneuerbaren Verbundkraftwerks Uckermark, sodass dieses die gleichen Netzdienstleistungen wie konventionelle Kraftwerke erbringen kann. Der CREMZOW Batteriespeicher wird derzeit für die Frequenzregelung des Netzes genutzt. Zusammen mit unserem Partner ENEL Green Power planen wir jedoch, andere Anwendungen wie Schwarzstart und Peak-Shifting zu untersuchen.

Können Sie die Rolle von Energiespeichern im Gesamtkontext der Energiewende kurz definieren?

Es gibt ein sehr breites Spektrum an Speichern. Die Batterie in CREMZOW ist in erster Linie dazu da, Systemdienstleistungen mit einem kurzen Zeithorizont zur Verfügung zu stellen – das geht von Millisekunden bis zu unter einer Stunde. Wir brauchen diese Form der Speicher vor allem, damit das System stabil betrieben werden kann wenn es größere Störungen gibt und um nach einem Blackout das Netz wieder aufzubauen. Aber Batterien werden nicht reichen. Gerade um große Energievolumina zu verschieben und auch in der kalten Dunkelflaute Strom zu haben, brauchen wir chemische Speicher – allen voran grünen Wasserstoff.

Welche Herausforderungen sehen Sie zukünftig im Bereich der Energiespeicherung? 

Die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland sind eigentlich das Hauptproblem – wenn wir das in Ordnung bekommen, läuft die Sache. Die Technologien gibt es ja bereits und wir sehen wie schnell die Kosten fallen. Aber die Steuern und Abgaben in Deutschland machen Strom viel zu teuer und fossile Energie wird noch immer subventioniert. Die Lösung ist klar: Reform der Strombepreisung, insbesondere der EEG-Umlage und endlich einen vernünftigen CO2 Preis auch für Wärme und Verkehr.

Das CREMZOW Batterie-Energie-Speicher-System. Foto: ENERTRAG

Kurzvita

Als Leiter Energiesystem koordiniert Simon Müller bei ENERTRAG die Entwicklung und Kommerzialisierung von innovativen Lösungen für die Sektorenkopplung. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Markteinführung von grünem Wasserstoff für Transport, Wärme und Industrie. Bevor er 2019 seine Stelle bei ENERTRAG antrat, hat er bei der Internationalen Energie-Agentur in Paris die Abteilung für Netz- und Systemintegration von Erneuerbaren aufgebaut. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er internationale Analysen zur Energiesystemtransformation erarbeitet sowie Regierungen und Unternehmen in einer Vielzahl von Ländern beraten. Zu seinen früheren Arbeitsstationen zählen die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) sowie das Bundesumweltministerium. Herr Müller ist Diplomphysiker und hat in Oldenburg, Bremen und Berlin studiert.