“In erster Näherung werden Batterien große Teile der individuellen Mobilität abdecken und in kleineren, dezentralen Energie-Anlagen, wie Solarzellen, die Pufferung und den Ausgleich von Lastspitzen im Bereich von Stunden bis wenige Tage übernehmen.”

“In erster Näherung werden Batterien große Teile der individuellen Mobilität abdecken und in kleineren, dezentralen Energie-Anlagen, wie Solarzellen, die Pufferung und den Ausgleich von Lastspitzen im Bereich von Stunden bis wenige Tage übernehmen.”

AKTUELLES-Interview mit Prof. Michael Stelter, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien
und Systeme (IKTS) Hermsdorf

Prof. Stelter bei seinem Einführungsvortrag zur EAST am 16.09.19 im CongressCenter der Messe Erfurt GmbH.

Am 16./17. September 2019 fand erstmals die EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference im CongressCenter der Erfurter Messe GmbH statt. In einer Keynote unter der Überschrift “Energiespeicher in Deutschland mit Fokus Mitteldeutschland – Status und Perspektiven” führte Prof. Michael Stelter, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) Hermsdorf in die Thematik ein und stellte einen Bezug der zahlreichen mitteldeutschen Aktivitäten im Energiespeicherbereich zu einem weltweiten Gesamtzusammenhang her. AKTUELLES hatte Gelegenheit im Nachgang zur EAST mit Prof. Stelter nachfolgendes Interview hierüber zu führen.

Herr Prof. Stelter, Ihre Keynote zur EAST stand unter der Überschrift “Energiespeicher in Deutschland mit Fokus Mitteldeutschland – Status und Perspektiven”.

AKTUELLES hatte kürzlich Gelegenheit, an einer Pressefahrt zum Thema Energiespeicher in Thüringen teilzunehmen und dabei auch Ihr Institut kennenzulernen. Besteht denn eine Chance, in Sachen Energiespeicher in Thüringen beziehungsweise Mitteldeutschland an vorderster Stelle dabei zu sein?

Ja, diese Chance besteht definitiv. Im Bereich der Lithium-Batterien für die Elektromobilität entsteht in Mitteldeutschland gerade ein Cluster aus Zellherstellern, Abnehmern für die Zellen und Maschinenbauern, der in der Geschlossenheit der Wertschöpfungskette weltweit seinesgleichen sucht. Gemessen an der Produktionsmenge, stellt dieser Cluster die Megafabriken von Tesla weit in den Schatten. Das ist vielleicht noch nicht jedem klar. Ich möchte aber auch den Blick auf die kostengünstigen stationären Stromspeicher richten, gerade wenn sie nicht auf Lithium basieren. Andere Regionen haben diese Technologien und Anwendungen nicht so stark im Blick, Mitteldeutschland hat in diesem Bereich aber sehr gute Angebote. Diese Chance sollten wir nutzen.

Wie sollten die Weichen gestellt werden, dass wir von einer Energiespeicher-Region Mitteldeutschland sprechen können?

Zunächst einmal müssen wir uns wirklich als Region begreifen. Die Synergien aus starker Forschung und lokaler, vernetzter Wertschöpfung können nur gehoben werden, wenn wir länderübergreifend agieren können und dürfen. An dieser Stelle kann auch die Politik viel Gutes bewirken, indem sie die Rahmenbedingungen dafür setzt. Inhaltlich sollten wir uns intelligent spezialisieren. Neben den bereits erwähnten stationären Stromspeichern, die einen Schwerpunkt bilden sollten, sehe ich als Chance insbesondere die digitale Produktionstechnik. Batterieherstellung mit ihren vielen hundert Millionen Zellen pro Jahr braucht eine völlig neue Art von datengetriebener Fertigungstechnik und Qualitätssicherung. Gerade hier ist Mitteldeutschland führend, mit einem äußerst leistungsfähigen Sondermaschinenbau, mit der Sensorik und Photonik aus Thüringen und mit der Kompetenz bei IT, Algorithmen und großen Datenmengen. Und, nicht zu vergessen: Mitteldeutschland ist vom Strukturwandel im Energiesystem und in der Demografie auch selbst stark betroffen. Wir sind also auch eine potenzielle und sehr glaubwürdige Anwender- und Demonstrations-Region für die neuen Speichertechniken in der Mobilität und in den Energienetzen.

Gibt es denn in der Zusammenarbeit in der Region genügend Partner, die die ambitionierten Ziele erfolgreich mitgestalten können?

Ja, die gibt es. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, wer in Mitteldeutschland im Speicherbereich schon alles aktiv ist, auf welch hohem Niveau diese Aktivitäten stattfinden und wie vollständig die Wertschöpfungsketten in vielen Fällen schon abgedeckt sind. Besser werden müssen wir aber sicherlich noch in der internen Vernetzung und im gemeinsamen Auftreten nach außen als Region. Deshalb freuen wir uns über Veranstaltungen wie die EAST, die genau dieses Zusammenfinden stimulieren.

Werden wir künftig mit einem geeigneten Speicher-Mix – ich blicke so auf 2040 und auf eine Studie, die für Thüringen und für diesen Zeitraum untersucht hat, ob die Deckung des Energiebedarfs in der Gesamtbilanz durch Erneuerbare Energien möglich ist – die vollständige Umstellung auf regenerative Energien realisieren können?

Technisch ist dies realisierbar, das Licht wird nicht ausgehen. Sowohl eine starke Absenkung des CO2-Ausstoßes, als auch ein vollständig CO2-neutrales Energiesystem sind mit heute absehbaren Technologien darstellbar. Wir brauchen keine nebulöse Science-Fiction-Innovation. Allerdings ist es enorm wichtig, sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als auch für die Akzeptanz in der Bevölkerung, dass die Kosten, die mit diesem Umbau verbunden sind, im Rahmen bleiben oder durch anderweitige Vorteile ausgeglichen werden. Deshalb halte ich solch kostengünstige, einheimische Technologien wie die Natrium-Batterie für so entscheidend. Allerdings muss ich auch sagen: die Stromspeicher werden nicht im Alleingang das komplette Energiesystem retten.

Wir werden auch an neuen chemischen Energieträgern arbeiten müssen, zum Beispiel über Wasserstoff und die Power-to-X-Technik. Und wir werden in einigen Fällen auch unser Energie-Nutzungsverhalten hinterfragen müssen. Zum Beispiel werden wir sicher darüber nachdenken, erneuerbare Energien genau dann zu nutzen, wenn sie verfügbar sind, und nicht umgekehrt. Jahrtausende lang konnte ein Müller mit einer Windmühle nur mahlen, wenn der Wind wehte. Die Entwicklung der Menschheit hat durch diesen Umstand keinen messbaren Schaden genommen. Daher bin ich ganz zuversichtlich, dass das auch in Zukunft wieder ein lösbares Problem wird.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang denkbare Konfigurationen in der Welt der Energiespeicher?

In erster Näherung werden Batterien große Teile der individuellen Mobilität abdecken und in kleineren, dezentralen Energie-Anlagen, wie Solarzellen, die Pufferung und den Ausgleich von Lastspitzen im Bereich von Stunden bis wenige Tage übernehmen. Für die längerfristige Speicherung großer Energiemengen brauchen wir chemische Systeme wie Wasserstoff und Redox-Flow-Zellen.

Auch die schwere Mobilität und Logistik wie LKW und der ÖPNV können sehr gut auf Wasserstoff umgestellt werden, da haben Batterien aus meiner Sicht keine Chance.

Keinen großen Beitrag sehe ich durch Pumpspeicher. Dort, wo es sie gibt, sind sie klasse und sollten unbedingt eingesetzt werden. Aber ihre Gesamt-Energiemenge ist, gemessen an den zukünftigen Speicherbedarfen, sehr klein und in vielen Regionen Deutschlands und der Welt gibt es schlicht und ergreifend keine Berge.

Das Ergebnis der EAST Energy And Storage Technologies wird kurzfristig in einem Thesenpapier zusammengefasst.

Zugleich erschien unmittelbar nach Abschluss der Tagung und im Vorfeld der Beratung des Klimakabinetts eine erste Zusammenfassung als Pressemitteilung, HIER zufinden.

Prof. Stelter “in Aktion” im Hermsdorfer Standort des Fraunhofer IKTS. Fotos: Rainer Otto

Die Energieinfrastruktur wird sich zu einer dezentralen Landschaft aus Erzeugung und Verbrauch wandeln müssen.

Referenten der EAST Energy And Storage Technologies am 16./17.09.2019 in Erfurt (15): Vortrag über keramische Natrium-Batterien als kostengünstige stationäre Stromspeicher mit einheimischer Wertschöpfung

Die Energieinfrastruktur wird sich zu einer dezentralen Landschaft aus Erzeugung und Verbrauch wandeln müssen.

Dr. Matthias Schulz: Dabei werden neben Batterien auch andere Technologien von Nöten sein um diese Mammutaufgabe auf dem Weg zur 0-CO2 Gesellschaft zu meistern.

Am 16./17. September 2019 startet die erste EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference im CongressCenter der Erfurter Messe. In loser Folge interviewt im Vorfeld AKTUELLES Redner, die in den verschiedenen Workshops mit ihren Themen zum Gelingen der EAST beitragen. Heute gelten die Fragen Dr. Matthias Schulz, der im Workshop Technologien über keramische Natrium-Batterien als kostengünstige stationäre Stromspeicher mit einheimischer Wertschöpfung  berichtet.

Herr Dr. Schulz, Sie leiten die Arbeitsgruppe „Stationäre Energiespeicher“ in der Abteilung „Systemintegration und Technologietransfer“ des Fraunhofer IKTS in Hermsdorf. Welche Schwerpunkte verfolgt ihre Arbeitsgruppe?

Meine Arbeitsgruppe setzt sich aus 10 Wissenschaftlern, Doktoranden und Technikern zusammen. Wir befassen uns mit verschiedenen Technologien zur Energiespeicherung, wobei „Keramische“ Batterien im Moment einen großen Schwerpunkt darstellen. Unser Fokus liegt bei allen Aktivitäten auf der Entwicklung von nicht Lithium basierten Technologien für die stationäre Speicherung. Ausgehend von Werkstoffentwicklungen befassen wir uns mit Zellentwicklungen und elektrochemischen Methoden zur Bewertung der Werkstoffe und Zellkonzepte. Mit Hilfe von Kollegen aus anderen Arbeitsgruppen bearbeiten wir die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Batterie-Prototypen.

Zur EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference am 16. und 17. September 2019 im CongressCenter der Erfurter Messe werden Sie als Referent im Workshop Technologien über keramische Natrium-Batterien als kostengünstige stationäre Stromspeicher mit einheimischer Wertschöpfung berichten. Gemeinsam mit den Fraunhofer-Forschern Prof. Michael Stelter, Dr. Roland Weidl, Heidi Dohndorf, Lutz Kiesel, Martin Hofacker und Benjamin Schüssler haben Sie eine keramische Batterie entwickelt, die vollständig aus unkritischen und einheimischen Rohstoffen hergestellt wird. Worin liegen weitere Besonderheiten dieser Batterie?

Bei hoher Energiedichte von 110 Wh/kg ist der Batterietyp extrem sicher und sehr robust. Die „Chemie“ der Zelle ist verglichen mit Li-Ion Batterien nicht anfällig gegen Überladung. Kritische Zustände die zum Brand oder gar zur Explosion führen, können nicht auftreten. Auch ist das Entweichen gefährlicher Gase ausgeschlossen. Die Batterien können somit ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen in Gebäuden installiert werden. Aufgrund der Historie der Technologie sind prinzipiell Lebensdauern von über 10 Jahren mit über 4500 Vollzyklen nachgewiesen. Auch das Recycling der Batterien ist kein Problem. Die Zellen werden als wertvoller Sekundärrohstoff von der Stahlindustrie gekauft, was ökonomisch äußerst vorteilhaft ist.

Am 8. April 2019 haben Sie hierfür den Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Angewandte Forschung“ erhalten. Können Sie diese Ehrung noch einmal Revue passieren lassen?

Die Auszeichnung mit dem Thüringer Forschungspreis ist für mich und das Team eine große Ehre. Die Arbeiten an diesem Batterietyp haben 2012 mit der Finanzierung eines Grundlagenprojektes durch das Land Thüringen (Forschergruppe) begonnen. Im Lauf der Jahre wurde das Thema systematisch weiter bearbeitet, so dass im Januar diesen Jahres der Technologietransfer an ein Industrieunternehmen gestartet ist. Diesen Entwicklungszyklus in Gänze mitzuerleben und durch einen Preis gewürdigt zu werden, ist sicher etwas Einmaliges im Leben eines Wissenschaftlers.

Definieren Sie die Rolle von Energiespeichern im Gesamtkontext der Energiewende.

Ohne Energiespeicher wird es nicht gehen! Das zeigen so ziemlich alle Prognosen. Die Energieinfrastruktur wird sich zu einer dezentralen Landschaft aus Erzeugung und Verbrauch wandeln müssen. Ohne Speicher im Netz funktioniert das nicht. Dabei werden neben Batterien auch andere Technologien von Nöten sein um diese Mammutaufgabe auf dem Weg zur 0-CO2 Gesellschaft zu meistern.

Nennen Sie abschließend Herausforderungen, die, ihrer Ansicht nach, zum positiven Gelingen der Energiewende noch bevorstehen.

Aus meiner Sicht müssen insbesondere die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es muss ökonomisch sinnvoll werden erneuerbare Energien zu nutzen. Dies kann am besten durch Schaffung von Anreizen für die „Erneuerbaren“ und Abschaffung von Subventionen für die „Fossilen“ erfolgen. Verbote halte ich nur begrenzt für zielführend. Technologisch ist alles schon jetzt möglich. Weiterhin ist es an uns Verzicht zu üben. D.h. Energiesparen, wo es nur geht.

Der Hermsdorfer Standort des Fraunhofer IKTS. Foto: © Fraunhofer IKTS, Standort Hermsdorf

Kurzvita

Seit 01/2014

Gruppenleiter der Arbeitsgruppe „Stationäre Energiespeicher“ am Fraunhofer IKTS, Hermsdorf

Seit 02/2010

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme

12/2010 

Promotion: Titel „Charakterisierung und Modellierung des Material- und Bauteilverhaltens keramischer Membranen für die Sauerstoffbereitstellung des Systems Sr0,5Ca0,5Mn1-yFeyO3-d unter Einbeziehung von Gas-Festkörper-Wechselwirkungen“

01/2007 – 01/2010 

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hermsdorfer Institut für Technische Keramik e. V, Hermsdorf Thüringen

01/2004 – 12/2006 

Stipendiat der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und Promovend an der Professur Bauchemie der Bauhaus-UNI Weimar

10/1995 – 08/2004    

Studium „Bauingenieurwesen“, Dipl.-Ing. an der Bauhaus Universität Weimar

04/2003 

Diplomarbeit am F.A. Finger-Institut für Baustoffkunde der Bauhaus Universität Weimar