Direktvermarktung wird zum Standard: Digitale Abwicklung unter 15 Minuten.

Referenten der EAST Energy And Storage Technologies am 16./17.09.2019 in Erfurt (28):

Direktvermarktung wird zum Standard: Digitale Abwicklung unter 15 Minuten.

Anastasia Bestmann: Wir haben uns den Prozess genau angeschaut und ihn standardisiert sowie vor allem digitalisiert.

Am 16./17. September 2019 startet die erste EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference im CongressCenter der Erfurter Messe.

In loser Folge interviewt im Vorfeld AKTUELLES Redner, die in den verschiedenen Workshops mit ihren Themen zum Gelingen der EAST beitragen.

Heute gelten die Fragen Anastasia Bestmann, die im Workshop IKT / Digitale Vernetzung intelligenter Speicher über Direktvermarktung wird zum Standard: Digitale Abwicklung unter 15 Minuten berichtet.

Frau Bestmann, Sie waren von 2014 bis 2018 Innovationsmanagerin der Energie Baden-Württemberg AG. Welche Projekte haben Sie in dieser Zeit betreut?

Am Anfang ging es darum überhaupt Innovationsprozesse und Tools und vor allem auch ein Mindset zu etablieren. Ich habe anschließend Projekte begleitet, aus denen heutige E-Mobility Lösungen, EnBW Smart Audit oder das EnBW Solar+ hervorgingen. Natürlich hatten wir auch einige Flops, aus denen wir vieles lernen konnten, wie zum Beispiel das Thema Smart Home oder Energie Consulting.

Seit 2018 sind Sie für den Vertrieb der Interconnector GmbH in Nord- und Ostdeutschland zuständig. Die Interconnector GmbH ist das virtuelle Kraftwerk der EnBW AG. Erläutern Sie dies kurz.

Das Virtuelle Kraftwerk ist die Antwort der EnBW auf die Dezentralität der Energiewende, indem es kleinteilige Erzeuger und Verbraucher von Erneuerbarer Energie mit den Energiemärkten vernetzt.

Das Virtuelle Kraftwerk ist mit seiner digitalen Plattform, dem Interconnector energyhub, ein erfahrener Partner für die Direktvermarktung selbst kleinster Anlagen. Über die digitale Plattform und das angebundene Service-Portal können Anlagenbesitzer und Installateure alle Vorgänge rund um die Direktvermarktung einfach und übersichtlich handhaben.

Zu den Partnern zählen neben klassischen „White Label“-Lösungen für Stadtwerke auch verschiedene Hersteller, Großhändler, Projektierer und auch Installateure.

Zur EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference am 16. und 17. September 2019 im CongressCenter der Erfurter Messe werden Sie als Referentin im Workshop IKT / Digitale Vernetzung intelligenter Speicher über Direktvermarktung wird zum Standard: Digitale Abwicklung unter 15 Minuten berichten. Hierbei geht es um die Direktvermarktung von Strom. Erklären Sie dies kurz. 

Viele haben aus unserer Erfahrung Vorurteile gegenüber der mühsamen und unübersichtlichen Antragsstellung zur Direktvermarktung. Außerdem sind oftmals die Bedenken groß, dass die Zusatzerlöse durch die Direktvermarktung zu gering sind, als dass sich die Investition in die Fernsteuereinrichtung lohnen würde. Deswegen haben wir uns den Prozess genau angeschaut und ihn standardisiert sowie vor allem digitalisiert. Dies erlaubt es uns, Anlagen schneller in die Direktvermarktung zu bringen und die Abwicklung für alle Beteiligten enorm zu erleichtern.

Warum würde sich die Direktvermarktung von Strom  für Kunden lohnen?

Nach wie vor gilt, dass Anlagenbetreiber durch die gesetzliche Regelung kein finanzielles Risiko tragen, sondern im Gegenteil einen Zuschlag bekommen. Das bedeutet, dass auch wenn die Börsenpreise schwanken, die Erlössteigerung im Vergleich zur herkömmlichen EEG-Vergütung durch das Marktprämienmodell garantiert ist.

Dies gilt auch für Bestandsanlagen oder Anlagen mit Eigenverbrauch – mit uns sogar bereits ab Anlagen größer 60 kWp.

Welche Erzeugungsanlagen können in die Strom Direktvermarktung?

Wir vermarkten alle Anlagenarten (Solar, Wind, Wasser, Biogas, KWK). Über unser Online-Formular und dem integrierten Erlösrechner können die jeweiligen Vermarktungsentgelte berechnet werden.

(Direktvermarktungsangebot anfordern)

Bewerten Sie abschließend die Rolle von virtuellen Kraftwerken im Gesamtkontext der Energiewende.

Die Pflicht zur Direktvermarktung wurde in den letzten Jahren immer weiter abgesetzt und liegt aktuell bei Anlagen größer 100 kWp, was sich unserer Meinung nach auch noch weiter absetzten wird.

Das bedeutet, dass die Direktvermarktung in Zukunft eine immer wichtigere Rolle einnimmt, insbesondere wenn man die Kleinstanlagen mitbedenkt, die in den nächsten Jahren aus dem EEG fallen und somit keine staatliche Vergütung mehr erhalten.

Deswegen ist die Digitalisierung der Prozesse und eine schlanke Abwicklung im Hintergrund der einzige Weg, damit die Vermarktung zum Standard wird.

Kurzvita

Anastasia Bestmann studierte technisch orientierte BWL an der Universität Stuttgart und University of Birmingham mit den Schwerpunkten Innovationsmanagement und Energietechnik.

Noch während des Studiums arbeitete sie bei Bosch im Innovationsmanagement im Bereich Diesel Motors und bei PriceWaterhouseCoopers im Bereich Capital Markets.

Nach der Teilnahme am EXIST-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, startete sie 2014 als Innovationsmanagerin bei der Energie Baden-Württemberg AG in Stuttgart.

Dort begleitete sie mehrere Projekte, unter anderem im Bereich E-Mobility, Demand Side Management, Energiemanagement und Energieeffizienz Audit von Entstehung bis zur Reifung.

Seit 2018 übernimmt sie den Vertrieb für die Interconnector GmbH, das virtuelle Kraftwerk der EnBW, in der Region Ost und Nord.

Aktuell schon bestehende dezentrale Versorgungskonzepte werden durch verbesserte Speichertechnik noch effizienter, neue Konzepte werden möglich.

Referenten der EAST Energy And Storage Technologies am 16./17.09.2019 in Erfurt (9): Vortragender über den Rechtsrahmen für Energiespeicher und die Einflüsse aus Europa durch das Winterpaket

Aktuell schon bestehende dezentrale Versorgungskonzepte werden durch verbesserte Speichertechnik noch effizienter, neue Konzepte werden möglich.

Dr. Florian Wagner: Ohne Speicher wird die Energiewende nicht funktionieren.

Am 16./17. September 2019 startet die erste EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference im CongresCenter der Erfurter Messe.

In loser Folge interviewt im Vorfeld AKTUELLES Redner, die in den verschiedenen Workshops mit ihren Themen zum Gelingen der EAST beitragen.

Heute gelten die Fragen Dr. Florian Wagner, der im Workshop Finanzierungen, Start-ups, rechtliche Rahmenbedingungen, internationale Zusammenarbeit über den Rechtsrahmen für Energiespeicher und in diesem Zusammenhang über die Einflüsse aus Europa durch das Winterpaket berichtet.

Herr Dr. Wagner, Sie sind seit 2010 angestellter Rechtsanwalt bei Becker Büttner Held am Standort Erfurt. 2018 erhielt BBH den JUVE Award als Kanzlei des Jahres für Energiewirtschaftsrecht. Können Sie hierzu kurz berichten?

Nun ja, BBH ist ein führender Anbieter von Beratungsdienstleistungen für Energie- und Infrastrukturunternehmen und deren Kunden. Den Kern unserer Mandantschaft bilden zahlreiche Energie- und Versorgungsunternehmen, vor allem Stadtwerke, Kommunen und Gebietskörperschaften, Industrieunternehmen sowie internationale Konzerne. Diese und viele Unternehmen und Institutionen aus anderen Bereichen unterstützt BBH sowohl in allen Rechtsfragen als auch betriebswirtschaftlich und strategisch. Daher hat es uns natürlich sehr gefreut, dass die Jury BBH als Kanzlei des Jahres ausgezeichnet hat. „Kreativität ist ein Markenzeichen der multidisziplinären Kanzlei. Mit viel Verve etabliert sie regelmäßig neue Beratungsprodukte“, so die Bewertung der Jury. Neben der fachlichen Expertise gehörten auch die strategische Ausrichtung, die Service­orientierung und das Zukunftspotenzial zu den Auswahlkriterien.

Daher bedanke ich mich auf diesem Wege nochmal bei unseren Mandanten und Mitarbeitern, die es ermöglicht haben, gemeinsam eine verantwortungsvolle und nachhaltige Beratung so aufzubauen, dass die Kanzlei nun mit einem JUVE Award ausgezeichnet worden ist.

Sie befassen sich mit allen Fragen des Netzzugangs und der Energiebelieferung, insbesondere im Bereich Strom und Gas. Welche Rechtsfragen bilden dabei ihre aktuellen Schwerpunkte?

Neben meiner Tätigkeit beim Aufbau der Rechtsberatung an unserem Erfurter Standort, bei der ich mit einer Vielzahl von Beratungsthemen in Berührung komme, bin ich aktuell schwerpunktmäßig mit der Umsetzung dezentraler Versorgungskonzepte (u. a. in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft) befasst.

Auf Seiten der Beratung von Energieversorgern ist die Umsetzung des Smart Meter Rollouts ein größeres Thema. Schließlich berate ich diverse Industrieunternehmen bei der Umsetzung von Energiekostenoptimierungen im Bereich der Netzentgeltreduzierung sowie der Besonderungen Ausgleichsregelung zur Begrenzung der EEG-Umlage. In diesem Bereich sind insbesondere die gesetzlichen Vorgaben zur „Drittmengenabgrenzung“ ein aktueller Dauerbrenner.

Neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt referieren und publizieren Sie regelmäßig. Können Sie bitte einige Bespiele hierfür nennen?

Als willkommene Abwechslung im Beratungsalltag führe ich regelmäßig Seminare und Workshops für unsere Mandanten durch. BBH bietet hier eine umfassende Palette an Informationsveranstaltungen an. Dadurch sind wir stets gezwungen, am Puls der Zeit zu sein und Themen bereits frühzeitig antizipieren zu können. Dabei ist stets auch der Austausch mit unseren Mandanten gewährleistet, sodass wir wertvolle Impulse für den Praxisbezug unserer Beratung erhalten. Daneben referiere ich häufiger bei energienahen Dienstleistern oder den IHK.

Im  Hinblick auf Publikationen bediene ich eine Reihe von Medien und habe schon in der RdE, et, IR, EnWZ sowie N&R Aufsätze veröffentlicht, um nur einige zu nennen. Daneben kommentiere ich diverse energierechtliche Normen, u. a. in Kommentierungen für den Erich Schmidt Verlag sowie im „Danner/Theobald“, einem Standardkommentar zum Energierecht.

Zur EAST Energy And Storage Technologies exhibition & conference am 16. und 17. September 2019 im CongressCenter der Erfurter Messe werden Sie als Referent im Workshop Finanzierungen, Start-ups, rechtliche Rahmenbedingungen, internationale Zusammenarbeit über den Rechtsrahmen für Energiespeicher und in diesem Zusammenhang über die Einflüsse aus Europa durch das Winterpaket sprechen. Können Sie einen kurzen Überblick zum EU-Winterpaket (4. Binnenmarktpaket) geben?

Wie die 3 Binnenmarktpakete zuvor, gibt es Konstanten – Themen, die weiterentwickelt werden –, aber auch ganz neue Themen auf der Europäischen Agenda. Stichwortartig enthält das Winterpaket Regelungen, die für Endkunden, das Thema Smart Metering, die Regulierung von Preisen relevant sind. Des Weiteren werden neue Marktrollen geschaffen und die Tätigkeitsbereiche hergebrachter Marktrollen neu konturiert. Ein paar Schlaglichter:

Die Information des Endkunden soll noch mehr verbessert werden, dabei geht es um mehr Transparenz z. B. von Rechnungen und die Einführung von Vergleichsinstrumenten für Haushalte und Kleinstkunden, verbesserte Streitschlichtung unter Einbindung des Lieferanten und, last but not least, die Einführung des Lieferantenwechsels innerhalb von max. 24 Stunden ab 2026.

Als neue Marktrollen werden Bürgerenergiegemeinschaften etabliert und wir werden „Aggregatoren“ und „Aktive Kunden“ als neue Player dazubekommen, was insbesondere auch im Zusammenhang mit der (Regel-)Energievermarktung und der Rolle von Speichern interessant werden wird.

Für Netzbetreiber wird auch interessant, inwieweit hier ein Betrieb von Speichern noch in dieser Marktrolle zulässig ist, was gleichsam bei der nationalen Umsetzung von Vorgaben für den Betrieb von Ladeinfrastruktur für E-Mobility relevant wird.

Welche Relevanz besitzt der Rechtsrahmen für Energiespeicher, ihrer Meinung nach, im Gesamtkontext der Energiewende? 

Speichertechnologien sind für die Energiewende natürlich von großer Bedeutung. Ohne Speicher wird die Energiewende nicht funktionieren. Die Erneuerbaren Energien haben durch das Bewusstsein um den fortschreitenden Klimawandel, durch den Atomausstieg und durch die Steigerung der eigenen Wirtschaftlichkeit in Deutschland ihr Nischendasein verlassen und weisen hohe Wachstumsraten auf. Mit dem steigenden Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland gewinnt das Lastmanagement an Bedeutung. Die Stromproduktion und Stromnachfrage schwanken im Zeitverlauf. Bei starkem Wind und geringer Stromnachfrage ist es wichtig, dass überschüssiger Strom gespeichert werden kann, um dann, wenn die Nachfrage die Produktion übersteigt, auf gefüllte Speicher zurückgreifen zu können.

Aktuell schon bestehende dezentrale Versorgungskonzepte werden durch verbesserte Speichertechnik noch effizienter, neue Konzepte werden möglich. Um ein Beispiel herauszugreifen: Gerade im Bereich der neuen Mobilität, sind neue Speichertechnologien der Enabler der Energiewende.

Können Sie abschließend Aspekte benennen, die aus ihrer Sicht, zum Gelingen einer erfolgreichen Energiewende notwendig sind oder den Weg skizzieren der hierfür gegangen werden müsste?

Das ist natürlich ein weites Feld. Ich will mal einen Aspekt herausgreifen – das Thema Sektorkopplung von Strom, Wärme und Verkehr. Hier kommen die Themen zusammen, die – das hat die jüngste Wahl zum Europaparlament gezeigt – die Bürger interessieren und bei denen wir über die klimapolitischen Implikationen auch das Thema Akzeptanz adressieren können.

Die Änderungen, die im Rahmen der Energie- (und Klima-)wende auf die Bevölkerung zukommen, können aus meiner Sicht nur erfolgreich bewältigt werden, wenn die Bevölkerung mitgenommen wird. Und hier wird die Politik die Aufgabe haben, neu entstehende Kostenbelastungen stärker als in der Vergangenheit im Gesamtkontext zu erklären und zu rechtfertigen.

Es wird auch unangenehme Auswirkungen auf alte Gewohnheiten geben – wenn das Thema der netzdienlichen Steuerung vom EE-Anlagenbetreiber stärker in den Fokus rückt (Stichwort: Redispatch nach NABEG 2.0) und auch Besitzer von E-Autos nicht ohne Gegenleistung die Laternen in der Straße zum Flackern bringen dürfen. Entsprechende Regelungen sind im Werden – es bleibt spannend.

Justitia – Sinnbild der Gerechtigkeit. Foto: Pixabay

Kurzvita

  • Geboren 1978 in Wolfsburg
  • Verheiratet, 4 Kinder
  • 1998 bis 2003 Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin
  • Ab 2004 Dissertation zur Einzelfreistellung vom Kartellverbot des Unionskartellrechts
  • 2007 bis 2009 Referendariat beim Kammergericht Berlin mit Station u. a. in der Kartellrechtsabteilung einer führenden internationalen Anwaltssozietät
  • Seit 2010 Rechtsanwalt bei BBH
  • 2016 Promotion zum Dr. jur. an der Freien Universität Berlin
  • Umfassende Publikations- und Vortragstätigkeit

 

Tätigkeitsfeld

  • Allgemeines Energie- und Energiewirtschaftsrecht
  • Vertragsgestaltung und allgemeines Zivilrecht
  • Regulierungsmanagement

Florian Wagner befasst sich schwerpunktmäßig mit allen Fragen des Netzzugangs und der Energiebelieferung, insbesondere im Bereich Strom und Gas. Rechtsfragen der Energievermarktung und des Smart Meter Roll-Outs bilden aktuelle Schwerpunkte.

“Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.”

16. Mitteldeutsches Energiegespräch am 20. November 2018 in Leipzig

Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.”

Interview mit Dr. Johannes Kleinsorg, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig GmbH, aus Anlass des 16. MDEG zu neuen Geschäftsmodellen in der Integrierten Energiewende

Gern gesehener Gast im Mitteldeutschen Energiegespräch: Dr. Johannes Kleinsorg – Hier im 6. MDEG während eines Diskussionsbeitrages aus dem Auditorium. Foto: Lutz Zimmermann, unter: www.lz-fotografie.de.

Sie gehören beide zu den sogenannten 8KU, einer Kooperation von 8 kommunalen Energieunternehmen, die mit Umsatzgrößen zwischen zwei und sechs Milliarden Euro nach eigener Aussage den Mittelstand der deutschen Energiewirtschaft bilden. Gemeint sind die Stadtwerke Leipzig GmbH und die Mannheimer MVV Energie AG.

Grund genug für das 16. Mitteldeutsche Energiegespräch, beide Unternehmen zur Herbst-Tagung am 20. November nach Leipzig einzuladen, um aus erster Hand über beiderseitigen Erfahrungen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu hören und darüber zu diskutieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Über die Diskussion berichtete AKTUELLES vom 20. November 2018. Die Interviews mit Dr. Holger Krawinkel (MVV Energie AG) sowie Ralf Kurtz (Einführungsvortrag PwC) erschienen in AKTUELLES vom 19. und 28. November 2018.

Nachfolgend wird nunmehr das Interview mit Dr. Johannes Kleinsorg, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig GmbH, veröffentlicht.

AKTUELLES dankt an dieser Stelle den Interviewten für die Gelegenheit des Gesprächs.

Sehen Sie bitte auch die entsprechenden Interviews im Film zum 16. MDEG.

Übrigens, mehr zu den 8KU finden Sie bitte auf www.8ku.de .


Der Einführungsvortrag über die “Geschäftsmodelle der Integrierten Energiewende – smart und innovativ” im 16. Mitteldeutschen Energiegespräch macht deutlich, wie regulierte Innovation des intelligenten Messwesens zu steigendem Wettbewerb und zur Ablösung des bestehenden Geschäftsmodells der Energielieferanten führen kann. Inwieweit sind die Leipziger Stadtwerke hierauf vorbereitet?

Insbesondere für die Wohnungswirtschaft ist der Umbau des Messwesens eine große Herausforderung. Doch das sogenannte Smart Metering bietet auch eine ganze Reihe von Vorteilen. Es beschleunigt und vereinfacht die gesamten Mess- und Abrechnungsprozesse wesentlich. Die digitale Erfassung und Übermittlung des Stromverbrauchs liefert Vermietern und Immobilienverwaltern eine diskussionsfreie Grundlage zur Abrechnung der Verbrauchsdaten.

Die Leipziger Stadtwerke bieten den Immobilienunternehmen schon jetzt eine effiziente und vollautomatisierte Lösung zur Prozessoptimierung an: die integrierte Abrechnung für Heiz- und Betriebskosten. Die Kunden sparen dadurch Zeit und Kosten – und das Jahr für Jahr.

Im Zuge der sogenannten Spartenbündelung wird sich die Digitalisierung des Messwesens neben Strom auf weitere Medien wie zum Beispiel Gas oder Wärme auswirken. Dadurch wird das Mess- und Abrechnungsprozedere weiter vereinfacht. Wir wollen noch weiter gehen und unseren Kunden Messdienstleistung und Energielieferung im Paket anbieten. So reduzieren sich die Austausch-Prozesse zwischen Messdienst, Lieferant und Kunde auf ein Minimum. Auch dafür stellen sich die Leipziger Stadtwerke schon jetzt auf, schließlich gehört das Messwesen neben der Energielieferung seit jeher zu unseren Kernkompetenzen.

Wie können Sie auf Ihre Kunden reagieren, inwieweit steuern Sie derzeit schon über Kundenanalysen die Einführung von neuen Geschäftsmodellen?

Unsere Kunden wollen sich weiter auf uns verlassen können und sie wollen Zukunftsorientierung. Die Wohnungen sollen warm bleiben, Strom und Gas zuverlässig zur Verfügung stehen. Großkunden wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Leipzig und andere Kommunen wollen eine gute Infrastruktur und aktives Begleiten von Umwelt- und Klimaschutz.

Jeder Kunde hat andere Bedürfnisse und diese gilt es zu erfüllen. So bieten wir unseren Großkunden einen 360°-Lösungsansatz: von der Energieberatung, Energieeffizienzkonzepten über die klassische Energielieferung bis hin zu verschiedenen Möglichkeiten dezentraler Energieerzeugung sowie ganzheitliche Angebote zur Elektromobilität. Aber auch die Anforderungen unserer Privatkunden haben wir intensiv analysiert, sodass mit unserem neuen Portfolio für jeden der passende Tarif zur Verfügung steht. Nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, kann sein Geschäftsmodell danach ausrichten und wird langfristig erfolgreich sein.

Die digitale Welt verändert den Charakter von Geschäftsprozessen und damit von Geschäftsmodellen, bringt neue hervor und drängt manche zurück. Was raten Sie kleineren Energieversorgern, die weder Kraft noch Möglichkeiten besitzen, sich derart umfangreich auf Künftiges einzustellen?

Wie erwähnt ist die Voraussetzung für das Bestehen am Markt, seine Kunden zu kennen und sein Geschäft entsprechend auszurichten. Marktbefragungen liefern die wesentlichen Erkenntnisse. Chancen haben diejenigen Unternehmen, die Kunden und Märkten intelligente und klare Lösungen für ihre komplexen Fragestellungen bietet. Und zwar schnell, umfassend und digital.

Allerdings macht den Erfolg eines Unternehmens nicht nur aus, für die richtigen Kundengruppen das richtige Angebot zu machen. Vielmehr ist es in einer sich rasant ändernden Welt wichtig, frühzeitig Trends und sich ändernde Kundenbedürfnisse erfassen können, um auf dieser Basis innovative Lösungen zu erarbeiten. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen zukünftig schnell neue und verschiedenartige Kompetenzen verfügbar gemacht werden. Dies bedeutet, dass Kooperationen und z.B. die Nutzung von White-Label-Lösungen weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Wir sprachen eingangs davon, dass regulatorische Rahmenbedingungen disruptive Faktoren nach sich ziehen können oder sogar begünstigen. Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach der Kundenwandel (Stichworte digital native, weniger Bindung an Marke und Produkt) auf neue Geschäftsmodelle?

Die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die den Anforderungen von Morgen gerecht werden, ist von enormer Bedeutung. Heute werden mit neuen Geschäftsmodellen die Weichen dafür gestellt. Die Herausforderung besteht darin, das Kerngeschäft mit diesen Aktivitäten so zu ergänzen, dass der „Startvorteil“ der bestehenden Kundenbeziehung bestmöglich genutzt wird. Dabei wird in der dezentralen Energiewelt Regionalität weiterhin eine große Rolle spielen. Insofern werden hier auch regionale Marken noch eine Bedeutung haben. Gerade Stadtwerke können als regionale Integratoren den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sicherstellen und Kunden in der neuen Energiewelt vor Ort Orientierung geben.

Intern erfordern die Digitalisierung und der Energiemarkt der Zukunft eine ganzheitliche Herangehensweise: Wesentlich ist also, die richtige Strategie, Organisation und Unternehmenskultur gemeinsam zu entwickeln. Prioritäten müssen neu gesetzt werden – auf zukünftig profitable Bereiche, Produkte und Aktivitäten. Dabei sollten die strategische Ausrichtung und organisatorische Aufstellung aus der Perspektive der Kunden und Märkte entwickelt werden. Zum entscheidenden Erfolgsfaktor in einer zunehmend digitalen Welt mit erhöhter Veränderungsgeschwindigkeit wird die Unternehmenskultur. Hier kommt es auf ein enges Zusammenwirken zwischen den Bereichen und Mitarbeitern, neue Führungskompetenzen sowie das Organisieren von stabiler und agiler Arbeitswelt nebeneinander an.


Abschließend bitte noch einen Blick in die Glaskugel. Wir haben in diesem Jahr 20 Jahre liberalisierte Energiemärkte, das Mitteldeutsche Energiegespräch hat sein sechsjähriges begangen. Wie schätzen Sie unter dem Aspekt der eingangs erörterten neuen Geschäftsmodelle, aber auch der derzeitigen Zaghaftigkeit der Politik die Umsetzung der Integrierten Energiewende in den nächsten fünf Jahren ein?

Die Energiewende, neue technologische Möglichkeiten und die fortschreitende Digitalisierung stellen die Energieversorgung auf den Kopf. Wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen – breit akzeptiert und mitgetragen von Wirtschaft und Verbrauchern – wird es darauf ankommen, konsequent dezentral, technologieoffen und wettbewerblich zu denken.

Belastbare politische Rahmenbedingungen sind Grundvoraussetzung für eine klimagerechte und wirtschaftliche Gestaltung der Energiewende.

Dies bedeutet, dass schnelle und klare Entscheidungen zum Beispiel zum Kohleausstieg, zur Entwicklung des Systems von Abgaben und Umlagen sowie zur weiteren Bedeutung von Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie benötigen.

Ohne diese Rahmenbedingungen ist es für uns fast unmöglich für Energiewende erforderliche Investitionsentscheidungen zu treffen.

Wir als Stadtwerke wollen gerne Treiber der Energiewende sein, die Politik aber muss den Rahmen setzen.

Welche Rolle spielen die Stadtwerke in Zukunft?

Stadtwerke können die Energiewende dezentral voranbringen. Sie beherrschen die gesamten energiewirtschaftlichen Funktionen: die Erzeugung von Energie, die Verteilung über ihre Netze, den Handel als Ausgleich von Produktion und Bedarf und den Vertrieb als ganzheitlichen Lösungsanbieter. Diese Systemkompetenz gewinnt gerade vor Ort an Bedeutung.

Als Energiewende-Manager können Stadtwerke Ihren Kunden so Orientierung geben, die zunehmende Komplexität der Energieversorgung für sie managen und zudem mit regionalem Service stets nah bei ihnen sein. Genau das ist die Strategie der Leipziger Stadtwerke und wir sind überzeugt davon, dass wir damit auch in Zukunft eine herausragende Rolle in der Energieversorgung für Leipzig und Umgebung spielen werden.

Vita

Dr. Johannes Kleinsorg, geboren 06.05.1962 in Göttingen, ist studierter Volkswirt und seit 1998 in der Energiewirtschaft tätig. Beim Regionalversorger Fränkisches Überlandwerk AG verantwortete er den Stromvertrieb und war Gründungsgeschäftsführer einer Energiehandelsgesellschaft. Als Prokurist und Leiter des Geschäftsbereiches Marktmanagement der NERGIE AG war er für Vertriebsaktivitäten und Markenführung zuständig und zugleich Geschäftsführer der Frankengas GmbH. 2005 übernahm er die Geschäftsführung der 24sieben GmbH. Im Rahmen von Umstrukturierungen in der MVV‐Gruppe, zu der die Stadtwerke Kiel AG gehört, leitete er die 24/7 Trading GmbH, heute MVV Trading. Außerdem verantwortete er als Bereichsleiter der Stadtwerke Kiel AG die Geschäftsfelder Vertrieb und Handel, einschließlich Erzeugungsportfoliomanagement und Energiedienstleistungen.

Seit 01.09.2014 ist er Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Stadtwerke.